Tönisvorst Stolpersteine gegen das Vergessen

Tönisvorst · Auf Initiative der Allgemeinen Wohnungsgenossenschaft verlegten gestern Mitarbeiter des Bauhofs zwei weitere Stolpersteine an der Hochstraße 67 in St. Tönis. Sie erinnern an Ida und Albrecht Marchand.

 Tobias Haak, Mitarbeiter des Bauhofes der Stadt Tönisvorst, verlegte vor dem Haus Hochstraße 67 in St. Tönis zwei Stolpersteine. Sie sollen an Ida und Albrecht Marchand erinnern.

Tobias Haak, Mitarbeiter des Bauhofes der Stadt Tönisvorst, verlegte vor dem Haus Hochstraße 67 in St. Tönis zwei Stolpersteine. Sie sollen an Ida und Albrecht Marchand erinnern.

Foto: Hüskes, Achim (achu)

Es war der Tag, an dem Hitler den USA den Krieg erklärte. Sicher haben auch Ida und Albrecht Marchand diese Nachricht noch gehört. Der Zweiten Weltkrieg nahm mit dem Eintritt der USA in die Kampfhandlung eine Wendung. Sein Ende erlebte das jüdische Ehepaar aus St. Tönis indes nicht mehr. Ida Marchand, geborene Falk, gilt seit dem 1. Oktober 1944 im Konzentrationslager Stutthof als verschollen. Drei Jahre zuvor, am 11. Dezember 1941, wurde sie aus dem Haus an der Hochstraße 67 in St. Tönis geholt und ins Ghetto nach Riga verschleppt. Damals war sie 35 Jahre alt.

Ihr Mann, Albrecht Marchand, den sie erst im März '41 geheiratet hatte, war bereits 1938 schon einmal verhaftet und nach Dachau gebracht worden. An jenem Dezembertag 1941 nahmen die Nazi-Schergen ihn erneut mit, diesmal ging es ins lettische Riga. Dort verliert sich jede Spur von ihm.

An das Schicksal des jüdischen Ehepaares aus St. Tönis erinnern jetzt zwei goldene Steine in Kopfsteinpflasterformat. Auf Initiative der Allgemeinen Wohngenossenschaft Tönisvorst (AWG), allen voran des Vorstandsvorsitzenden Walter Schöler, mit Unterstützung der Stolperstein-AG am Michael-Ende-Gymnasium und der Stadt wurden die Mahnmale des Künstlers Gunter Demnig vor dem Haus verlegt, in dem die Marchands gelebt haben. Allerdings übernahm diese Aufgabe der Bauhof. Demnig, der die mittlerweile europaweite Aktion ins Leben gerufen hat, war verhindert.

Die Häuser der AWG an der Hochstraße 65 und 67 sind ihm dennoch bekannt, denn bereits im August 2011 hat Demnig dort sieben Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an die ehemaligen Eigentümerfamilien der Häuser. 25 Menschen waren es insgesamt, die dort gelebt haben. Nahezu alle sind in den Jahren 1941 bis 1945 im Konzentrationslager ermordet worden. "Es war uns ein Anliegen, an dieser Stelle die Familie Falk, deren Tochter Ida war, in der Erinnerung wieder zusammenzuführen", sagte Dr. Dirk Haverkamp vom Aufsichtsrat der AWG bei der Feierstunde.

"Es ist wichtig, den jüdischen Mitbürgern wieder ein Gesicht zu geben", sagten Sina Kugel von der Stolpersteine-AG am Gymnasium und Schülersprecherin Antonia Timphus. Bei jedem Gang durch Tönisvorst solle deutlich werden, wer die Stadt mitgeprägt habe. "Die Opfer waren Mitbürger, wie Sie und ich", wandte sich die Oberstufenschülerin an die Versammelten, Bürger die ihrer Rechte beraubt worden seien. "Die Verantwortung liegt bei uns zu verhindern, dass sich solche Grausamkeiten wiederholen."

In einem gemeinsamen Gebet gedachten auch Pfarrerin Daniela Büscher-Bruch von der evangelischen Kirchengemeinde St. Tönis und der katholische Pfarrer Ludwig Kamm der Verstorbenen. Der Rabbiner der jüdischen Gemeinde Krefeld hatte sich entschuldigen lassen. "Wenn wir doch daraus lernten, so dass Fremdenhass und Hass gegen Andersdenkende von uns abfiele", sagte Pfarrerin Büscher-Bruch.

(WS03)
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