Willich Politik gegen die CDU war kaum möglich

Willich · Bei der Kommunalwahl am 13. September steht in Willich die Wahl des neuen Bürgermeisters im Mittelpunkt des Interesses. Dabei sind es auch die Fraktionen, die die Stadt mitgestalten. Eine Bilanz der Wahlperiode 2014 bis 2020.

 Der Willicher Stadtrat tagt in der Regel im Schloss Neersen.

Der Willicher Stadtrat tagt in der Regel im Schloss Neersen.

Foto: Marc Schütz

Corona macht der Politik auch in Willich einen Strich durch die Rechnung. Hatte man es nach der Wirtschaftskrise durch harte Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen geschafft, finanziell wieder auf die Beine zu kommen, reißen die Corona-Folgen nun wieder ein großes Loch in die Stadtkasse. Im Wahlkampf bedeutet das, dass CDU, SPD, Grüne und FDP sowie die Wählergemeinschaft „Für Willich“ nicht ernsthaft allzu große Wahlversprechen werden machen können. Das ist schade, denn die Politik in Willich hat im Großen und Ganzen über alle Fraktionen hinweg gute Arbeit geleistet, sodass die Stadt im Vergleich zu vielen anderen Kommunen in der Region glänzend dasteht.

Wenn in den folgenden Zeilen auf Fehler und Versäumnisse eingegangen wird, ist das Klagen auf hohem Niveau. Meist haben die Politiker gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet, vor allem im sozialen Bereich gab es weitgehende und konstruktive Einigkeit – wie beispielsweise im Umgang mit der Flüchtlingskrise 2015, in deren Folge die Stadt vier große Wohnprojekte für Flüchtlinge in Schiefbahn und Neersen auf den Weg brachte, die jetzt auch teilweise schon für den „normalen“ sozialen Wohnungsbau verwendet werden. Zudem entstand das Containerdorf für Flüchtlinge an der Moltkestraße in Alt-Willich.

 Über das Neubaugebiet „Schiefbahner Dreieck“ diskutierte die Willicher Politk aus unterschiedlichen Gründen immer wieder.

Über das Neubaugebiet „Schiefbahner Dreieck“ diskutierte die Willicher Politk aus unterschiedlichen Gründen immer wieder.

Foto: Marc Schütz

Doch zurück zur Zeit nach der Kommunalwahl 2014: Es hätte eigentlich die Wahlperiode der kleineren Fraktionen werden können, doch die Gelegenheiten, in denen die CDU für ihre Vorstellungen keine Mehrheit zusammen bekam, fallen kaum ins Gewicht. Vor allem die Ende 2017 verkündete strategische Zusammenarbeit der Union mit den Grünen sorgte dafür, dass die CDU im Willicher Stadtrat weiter tonangebend war – und das, obwohl sie bei der Kommunalwahl nach rund 25 Jahren der Vorherrschaft doch ihre absolute Mehrheit eingebüßt und „nur“ 47,9 Prozent der Wählerstimmen bekommen hatte. Die drei anderen damals im Rat vertretenen Fraktionen legten in der Wählergunst zu, rieben sich die Hände und freuten sich, die Union nun in die Schranken weisen zu können. Wie gesagt: Daraus wurde nichts.

Probleme bei der SPD

Vor allem die SPD war bei der Wahl erfolgreich und steigerte ihr Ergebnis im Vergleich zum Jahr 2009 von 18,7 auf 26,3 Prozent. Doch die Sozialdemokraten machten nichts aus ihrem Erfolg, ja, sie sind wohl eher der Verlierer dieser Wahlperiode – und daran ist nicht nur der Abwärtstrend der Bundes-SPD schuld. Am laufenden Band scheiterten sie mit ihren Anträgen zu verschiedenen Themen (beispielsweise der vollständigen Beleuchtung des Alleenradwegs) an den anderen Fraktionen. Der erste Rückschlag für die Willicher Sozialdemokraten kam 2016, als eine SPD-Ratsfrau, die als Einzige ein Direktmandat für ihre Partei geholt hatte, wegen gewerbsmäßiger Untreue zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Im Jahr darauf kam es knüppeldick: Zuerst teilte der stellvertretende SPD-Bürgermeister der Stadt Willich, Markus Gather, mit, dass er dieses Amt und sein Mandat im Stadtrat niederlegt. Er beklagte mangelnden Rückhalt in den Partei- und Fraktionsspitzen der Willicher SPD.

 Das Containerdorf für Flüchtlinge an der Moltkestraße wurde 2016 errichtet. An anderen Stellen entstanden Wohnhäuser für Asylbewerber.

Das Containerdorf für Flüchtlinge an der Moltkestraße wurde 2016 errichtet. An anderen Stellen entstanden Wohnhäuser für Asylbewerber.

Foto: Kaiser, Wolfgang (wka)

Wenige Wochen später erklärten dann auch noch Theresa Stoll, Martin Dorgarthen und Detlef Nicola ihren Austritt aus der SPD-Fraktion und gründeten „Für Willich“. Sie warfen Fraktionschef Bernd-Dieter Röhrscheid und dem damaligen Parteivorsitzenden Dietmar Winkels mangelnde Führung vor. Röhrscheid hatte sich eigentlich schon zur Mitte der aktuellen Wahlperiode zurückziehen wollen, macht diesen Schritt aber erst jetzt. Winkels beerbte Gather als stellvertretender Bürgermeister und legte sein Amt als Parteivorsitzender in die Hände des heute 29-jährigen Lukas Maaßen, an dessen Seite inzwischen eine ganze Reihe junger Leute im Parteivorstand stehen. Sie unterstützen den 66-jährigen Dietmar Winkels, der jetzt für die SPD als Bürgermeisterkandidat antritt. Maaßen fehlt zwar bisweilen eine gewisse Gelassenheit, doch steht er für einen Politikwechsel und einen deutlich sozialpolitischeren Kurs. Und so dürfen sich die Sozialdemokraten durchaus damit brüsten, das Thema Kita-Beiträge durch ihren Antrag (den ähnlich auch „Für Willich“ stellte), die Einkommensgrenze anzuheben, ab der Eltern Gebühren zahlen müssen, angestoßen zu haben – auch wenn CDU und Grüne jetzt mit viel Brimborium so tun, als wäre die Senkung der Gebühren für alle Eltern, die am Ende dabei rauskam, allein auf ihrem Mist gewachsen.

Grüne als CDU-Partner

 Das Aus als Krankenhaus 2014, Flüchtlingsheim ab 2015, dann der Abriss: Das Katharinen-Hospital war häufig Thema.

Das Aus als Krankenhaus 2014, Flüchtlingsheim ab 2015, dann der Abriss: Das Katharinen-Hospital war häufig Thema.

Foto: Norbert Prümen

Ob die Grünen sich am Ende tatsächlich einen Gefallen damit getan haben, so eng mit der CDU zusammenzuarbeiten, wird sich jetzt zeigen. Allerdings hat vor zweieinhalb Jahren wohl noch niemand geahnt, dass das Thema Klimaschutz eine so große Rolle spielen würde wie bis vor der Corona-Krise. Allzu oft hatte man in Willich den Eindruck, dass die Grünen lediglich der Mehrheitsbeschaffer für die Union waren, zumal die Willicher CDU schon lange auch auf grüne Themen setzt und es den Grünen so schwer macht. Nicht förderlich war sicher auch die lange Debatte um die Fällung der Kugelahorn-Bäume auf dem Willicher Marktplatz, bei der die Grünen erst spät erkannten, was von ihnen erwartet wurde – nämlich deutlich gegen die Abholzung zu sein. Auch was die Erweiterung des Gewerbegebiets Münchheide über die Autobahn 44 hinaus angeht, waren sich die Grünen nicht einig. Andererseits zeigt das auch, dass es in der Partei durchaus Pragmatiker gibt. Und so waren es auch die Grünen, die immer wieder gegen allzu teure Projekte stimmten (die teure Umgestaltung des Marktplatzes, das Schiefbahner Dreieck) und für günstigen Geschosswohnungsbau warben – und sich damit im Fall der Erweiterung des Neubaugebiets „Am Bruch“ in Neersen auch gegen ihren Partner CDU durchsetzten. Spannend wird, wie sich die Bürgermeisterkandidatin der Grünen, Claudia Poetsch, die als Politikerin in Willich noch kaum bekannt ist, im Wahlkampf schlagen wird.

Infrastruktur ist Thema der FDP

 Vor der Bürgerbefragung zum autofreien Marktplatz in Alt-Willich im Jahr 2015 gab es auch ungewöhnliche Aktionen.

Vor der Bürgerbefragung zum autofreien Marktplatz in Alt-Willich im Jahr 2015 gab es auch ungewöhnliche Aktionen.

Foto: Kaiser, Wolfgang (wka)

Die Rolle des Mahners, Kostenbremsers und Sozialpolitikers spielte immer wieder auch die FDP, die ebenfalls gegen den fast zwei Millionen Euro teuren Marktplatz-Umbau in dieser Form und das Neubaugebiet „Schiefbahner Dreieck“ stimmte – wobei die Liberalen bei Letzterem vor allem die ungelöste Verkehrsproblematik störte. Auch auf Verkehrsprobleme in Neersen wiesen die Liberalen immer wieder hin und forderten, generell erst die Infrastruktur und dann die Baugebiete zu planen, und nicht umgekehrt, wie das in Willich allzu oft passiert war, was nun an etlichen Stellen in Stoßzeiten zu Staus führt. Zur Infrastruktur gehört für die Willicher FDP ganz besonders auch der Breitbandausbau, den sie zu einem ihrer Top-Themen machte.

Viele Aktionen von „Für Willich“

Die dreiköpfige Fraktion „Für Willich“, aus der inzwischen auch eine Wählergemeinschaft wurde, verschaffte sich bei den Willicher Bürgern durch kleine Aktionen Gehör, kümmerte sich fleißig um Probleme von Mietern, wies auf Stolperfallen hin und kämpfte dafür, dass der Übergang des Radwegs auf die Fahrbahn an der Schottelstraße in Anrath, an dem vor gut einem Jahr ein 14-jähriges Mädchen von einem Traktor überrollt wurde und starb, umgestaltet wurde.

Zwei Lager in der CDU

Und die CDU? Die schaffte es im Gegensatz zur SPD, innerparteilichen Knatsch aus der Öffentlichkeit zurückzuhalten – zumindest, bis Christoph Heyes, der Sohn des scheidenden Bürgermeisters Josef Heyes, bei der Mitgliederversammlung im Dezember 2019 öffentlich gegen den Vorsitzenden Christian Pakusch schoss. Da wurde bereits offensichtlich, dass in der Union nicht alles eitel Sonnenschein ist. Als Josef Heyes wenig später verkündete, nicht mehr als Bürgermeisterkandidat anzutreten, und dabei für alle überraschend seinen Wunschnachfolger Johannes Bäumges präsentierte, wurden zwei Lager in der Union deutlich. Denn auch Pakusch möchte Bürgermeister werden. Die Entscheidung soll nach langem Hin und Her am Montag, 8. Juni, fallen.

Ja, die CDU hat seit 2014 weiter Vieles angestoßen, beispielsweise die Entwicklung des Katharinen-Hospital-Geländes, die Aufstockung des Kommunalen Ordnungsdienstes, das Nachdenken über alternative Wohnformen, die Diskussion über einen Lebensmittel-Vollsortimenter für Anrath, den Feierabendmarkt in Alt-Willich oder die Senkung der Gewerbesteuer 2020. Sie hat auch durch ihre regelmäßigen Bürgerrunden und ihre Vereinigungen wie MIT, JU, Frauen- und Senioren-Union einen kurzen Draht zu den Willichern. Bisweilen verhinderte oder bremste sie aber auch wichtige Projekte und fungierte manchmal übertrieben als Bedenkenträger. So Ende 2017, als der Stadtrat nach monatelangem Ringen das von Experten vorgeschlagene und von Verwaltung und SPD stark befürwortete Fremdwassersanierungskonzept für das hochwassergeplagte Anrath ablehnte. Ein wichtiger Grund für die Ablehnung dürfte gewesen sein, dass die Politiker es sich nicht mit den Bürgern verscherzen wollten – Kosten von bis zu 10.000 Euro wären auf manchen Hausbesitzer zugekommen. Dabei ist es auch Aufgabe der Politik, unpopuläre, aber notwendige Entscheidungen zu treffen. Da war die SPD mutiger.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort