Neersen Ein berührender und erschütternder Abend

Neersen · Schlossfestspiele Neersen: Szenische Lesung zum Widerstand der Geschwister Scholl. Im Ratssaal erinnerten Reinhild Köhncke und Sven Post an die Widerstandskämpfer der „Weißen Rose“.

 Die Schauspieler der Schlossfestspiele Sven Post und Reinhild Köhncke zeigten die Geschichte von Sophie und Hans Scholl, Mitglieder der Münchner Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“.

Die Schauspieler der Schlossfestspiele Sven Post und Reinhild Köhncke zeigten die Geschichte von Sophie und Hans Scholl, Mitglieder der Münchner Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“.

Foto: Katja Winden Schlossfestspiele/Katja Windern Schlossfestspiele

Diese Sophie ist leidenschaftlich, einfühlsam, rebellisch, kein entrückter Mythos, sondern menschlich nah. „Ich hätte mich rausreden können, als es um meinen Kopf ging“, zitiert Reinhild Köhncke die mutige Bilanz ihrer Heldin zu Beginn der Lesung im Schloss Neersen. Damit fokussiert sie den Blick auf die Opferbereitschaft der jungen Widerstandskämpferin und ihrer Mitstreiter in der Gruppe „Die weiße Rose“.

Sie verschweigt aber nicht die Entwicklung einer Frau, die sich im jugendlichen Eifer zunächst blenden ließ von den Versprechungen einer mörderischen Ideologie. Später lässt sie Sophie Scholl noch einmal die gleichen Worte sagen. Da geht es tatsächlich um Leben und Tod für Sophie Scholl, die ihren Mut im Widerstand gegen die Nationalsozialisten mit dem Leben bezahlte.

Köhncke zur Seite steht Sven Post. Gemeinsam erzählen sie von der Widerstandsgruppe „Die weiße Rose“ und damit vom Widerstand der Geschwister Scholl. Als Chronist nennt Post Fakten. Während der szenischen Lesung wechselt er in unterschiedliche Rollen: Er ist Sophies um Worte ringender Bruder Hans Scholl, der um seine Tochter besorgte Vater, selbstherrlicher Gestapo-Mann und auch zum Beispiel Roland Freisler, Vorsitzender der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof. Dort wurde das Todesurteil über die Geschwister gesprochen, die mit dem Studenten Alexander Schmorell zu den Initiatoren der Widerstandsbewegung zählten.

Zentral platziert steht auf der kleinen Bühne im Ratssaal eine Leinwand. Wiederkehrend ist ein Porträt der realen Sophie Scholl zu sehen – im Wechsel mit Angaben zu Orten und Daten in schlichter Schrift sowie historischen Filmaufnahmen. Diese dokumentieren und belegen Methoden der Erziehung zum Nationalsozialismus, die Brutalität des Krieges und die Massenhysterie in einer Reaktion auf die berühmt-berüchtigte Rede des Propagandaministers Goebbels im Sportpalast.

Die Bilder stehen zwischen Köhncke und Post, die ebenso diese Grenze überschreiten, um in Dialogen Begegnungen zu inszenieren. So zeichnen sie vor dem historischen Zeitbild die Entwicklung der Charaktere, insbesondere die Biographie der Sophie nach. Das ist glaubwürdig, berührend und erschütternd.

In der Rolle der Sophie gestaltet Köhncke den komplexen Charakter ihrer Figur, deren jugendliches Aufbegehren als Anhängerin eines vermeintlichen Aufbruchs, die Abwendung von falschen Idealen und den Reifeprozess. Zu den Briefen der Sophie an ihren Verlobten Fritz Hartnagel fängt Köhncke die Facetten von Liebe, Sorge und Hoffnung ein. Glaubwürdig zeigt sie die Entschlossenheit der Protagonistin, mit Worten gegen Unterdrückung und für Geistesfreiheit zu kämpfen.

Das letzte Flugblatt wird den Geschwistern zum Verhängnis. Sie werden enttarnt, verhaftet. Es berührt, als Sophie ihre schließlich extreme Risikobereitschaft still hinterfragt. War es Übermut, Naivität? Und doch bewahrt die Lesung einen sanften Funken Hoffnung. Köhncke erzählt vom Traum der Sophie, die sich selbst abstürzen sieht, während ihr Kind als Allegorie für den Widerstand im weißen Kleid überlebt.

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