Stadt Willich Notschlafstelle im ehemaligen Trafohäuschen

Stadt Willich · Kaum hat Marion Tank mit der langen Schneiderschere das gelbe breite Absperrband mit dem Aufdruck "Achtung Hochspannungskabel" durchtrennt und die alte Metalltür mit den Graffiti-Sprühereien geöffnet, als ein "Wow" durch die Besucher geht, die direkt hinter dem Band stehen und einen ersten Blick in die ehemalige Trafostation am Anrather Bahnhof werfen können. "Schöner Wohnen lässt grüßen", lautet einer der ersten Kommentare.

 Marions Tank (2. v.l.) ist, und darf auch ein wenig Stolz sein. ihr Projekt, die "Ladestation" ist nun offiziell eingeweiht.

Marions Tank (2. v.l.) ist, und darf auch ein wenig Stolz sein. ihr Projekt, die "Ladestation" ist nun offiziell eingeweiht.

Foto: NORBERT PRÜMEN

Diese Bemerkung lässt Marion Tank strahlen, denn in Sachen Inneneinrichtung hat Tank es geschafft, mit wenigen finanziellen Mittel eine Mini-Wohnung zum Wohlfühlen zu schaffen. Auf gerade einmal 17 Quadratmetern sind Küche, Bad, Arbeitsbereich sowie Wohn- und Schlafzimmer entstanden. Der kleine Raum beherbergt die erste Notschlafstelle der Stadt Willich. "Ladestation" haben Tank und ihr Team die Notschlafstelle getauft, denn genau das soll das Angebot auch sein. Die Streetworkerin möchte jungen Erwachsenen zwischen 18 und 27 Jahren, die keinen Schlafplatz haben und Hilfe brauchen, einen Orientierungspunkt geben, von dem aus gemeinsam mit Tank eine Perspektive für die Zukunft entwickelt werden kann.

"Mit jedem Bewohner schließen wir einen Nutzungsvertrag, der über sechs Wochen geht. Eine Zeit, in der jemand nicht nur ein Dach über dem Kopf hat, sondern auch eine Zeit, in der intensiv Weichen gestellt werden sollen, um aus der aktuellen Situation heraus zu kommen. Wer sein Leben auf der Straße verändern will, ist der richtige Kandidat für unser Angebot", sagt Tank. Dafür haben sie und ihre Mitstreiter eine Umgebung mit Wohlfühlcharakter geschaffen. "Wohnen macht was mit einem Menschen. Mit der kleinen Wohnung möchten wir gleichzeitig auch einen Anreiz schaffen und zeigen, so toll kann es aussehen, auch mit kleinem Geld", fügt die Streetworkerin an.

Jeder Zentimeter der 17 Quadratmeter ist genutzt. Alles präsentiert sich dabei im Shabby-Stil. Die Küche ist aus Palettenholz entstanden, wobei das Holz grau und weiß gewachst wurde und so eine Edelpatina erhalten hat, die an eine Designer-Küche erinnert. Buntes Geschirr, Töpfe und Küchenutensilien in Holz- und Metallregalen, eine Küchenplatte in Betonoptik, eine Induktionsplatte für zwei Töpfe, Kühlschrank, Mikrowelle mit Backofen sowie eine kleine Spüle runden die Einrichtung ab. Der Clou ist das Hochbett, das auf zwei Kommoden und zwei selbstgebauten Regalen steht, wobei die Bretter der Regale einst den Gartenzaun bei Tank bildeten. Dort demolierte ein Sturm vor Jahren die Bretter. Tank hob sie auf, mit dem Gedanken, sie irgendwann einmal brauchen zu können. "Wir haben sie entsprechend aufgearbeitet, was auch für meinen ehemaligen Badezimmerschrank gilt, der jetzt unauffällig das Putzmaterial beherbergt und gleichzeitig Nachttisch ist", berichtet Tank.

Tank dankte bei der Eröffnung nochmals allen 22 Firmen, Vereinen und Organisationen, die den Umbau mit Manpower, Material und Geldspenden unterstützt hatten, denn "ohne sie wäre nichts gelaufen", betonte die Streetworkerin. Stellvertretend für die Unterstützer hob Marco Wienen vom Verein "Gutes beginnt im Kleinen" nochmals hervor, wie gern man das Projekt Notfallschlafstelle unterstützt habe. "Wir sind mehr als glücklich über das, was hier entstanden ist", sagte Willichs Beigeordnete Brigitte Schwerdtfeger.

Junge Menschen zwischen 18 und 27 Jahren ohne Schlafplatz können sich bei Streetworkerin Marion Tank melden, Telefon 0172 2611081.

(RP)
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