Stadt Willich Nach der Arbeit die Schulbank drücken

Stadt Willich · Der Job bringt viele Perspektiven: Bianca van Koll macht mit 30 Jahren berufsbegleitend eine neue Ausbildung zur "staatlich anerkannten Altenpflegerin".

Vor der Perspektive der nächsten drei Jahre hat die 30-jährige "Schwester Bianca" van Koll aus Schiefbahn keine Angst - auch wenn sie weiß, dass diese viel Arbeit, Unterricht und wenig Freizeit bringen: Die gelernte Arzthelferin sattelt um - sie macht berufsbegleitend eine Ausbildung zur "staatlich anerkannten Altenpflegerin" - dank ihrer vorherigen Ausbildung verkürzt auf drei Jahre. Der Grund: "Ich will nicht irgendwann wegen eines Rückenleidens berufsunfähig sein und dann nicht wissen, wie es weitergeht. Die Ausbildung zur staatlich anerkannten Altenpflegerin bringt viel mehr Entwicklungsmöglichkeiten über Weiterbildungen", schildert sie.

Ihre berufsbegleitende Ausbildung macht sie bei einem ambulanten Pflegedienst des DRK-Landesverbandes Nordrhein. Chefin Ulrike Hagel-Leder findet die Initiative toll: "Schwester Bianca hat schon mehrere Jahre bei uns als Pflegekraft gearbeitet, sie darf aber nur die Tätigkeiten ausüben, die aufgrund ihrer Ausbildung zulässig sind. Wir unterstützen sie gern", sagt sie. Denn die berufsbegleitende Ausbildungs-Situation hat Folgen: Nach einer sechswöchigen Praxisphase findet bis September 2018 immer ein vierwöchiger Schulblock am Fachseminar der Diakonie in Kaiserswerth statt - das heißt: Schwester Bianca ist vormittags für ihre Patienten da, von 15 bis 20.30 Uhr geht es zum Unterricht. Außerdem sind zwei Praktika in Pflegeheimen und einmal in einer Facheinrichtung für Menschen mit altersbedingten psychiatrischen (geronto-psychiatrischen) Veränderungen vorgesehen. Dazu organisiert die junge Frau noch ihren Haushalt mit ihrem ebenfalls berufstätigen Lebensgefährten und einer neunjährigen Tochter: "Uns ist es wichtig, dass immer jemand für das Kind da ist: Oma oder eine gute Freundin helfen", schildert van Koll.

Ihre derzeitige Tätigkeit und ihren späteren Beruf findet nicht jeder attraktiv, für sie ist es aber der richtige Weg: Sie hat nach ihrer Arzthelferinnen-Ausbildung in ihrem Beruf gearbeitet, dann in anderen Bereichen gejobbt und hatte auch bei einem anderen Altenpflege-Unternehmen gearbeitet.

Seit 2011 ist sie beim DRK in Willich. "Hier wurde ich erstmal geschult und durfte nur mitfahren. Heute arbeite ich zwar selbstständig in meinem Bereich, aber wenn ich Fragen habe, gibt es immer einen Ansprechpartner", freut sie sich. In ihrer Arbeit gefalle ihr der Kontakt zu den Menschen. "Wir arbeiten nach dem Prinzip der Bezugspflege: Es kommen möglichst immer die gleichen Schwestern oder Pfleger zu einem Kunden", so Ulrike Hagel-Leder. Schwester Bianca erklärt ihr Arbeitsprinzip: "Ich versuche, mir vorzustellen, wie ich gerne gepflegt werden würde. Es ist einfach schön, wenn man morgens reinkommt und angelacht wird." Sie verhehlt aber nicht, dass es auch schwierige Situationen gab: Patienten sind nicht immer freundlich oder manchmal durch das Alter sogar aggressiv. Auch mit dem Tod muss sie klarkommen: So kam sie etwa morgens zu einem Ehepaar mit einer durch eine Demenz veränderten Frau, und die Schwester fand den Ehemann tot auf der Toilette. "Damit muss man fertig werden. Zuerst lösen wir die Formalien, aber danach kommt auch der Zeitpunkt, an dem man über das Erlebte nachdenkt. Aber es gehört auch zu unserem Beruf, die Menschen so gut zu versorgen und zu begleiten, dass sie ohne Angst über die Schwelle gehen können", so Bianca van Koll.

Nach der zeitintensiven berufsbegleitenden Ausbildung steht die junge Frau dann auch finanziell anders da: Sie wird derzeit nach dem tariflich vorgesehenen Gehalt für eine Pflegekraft bezahlt. "Danach wird es aber finanziell deutlich besser", so Hagel-Leder. Dazu kommen viele Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, etwa zur Pflegedienstleiterin, als Expertin für chronische Wunden, in der Palliativ-Pflege zur Versorgung sterbender Menschen. Bianca van Kolls optimistischer Blick in die Zukunft: "Es ist ein harter, aber schöner Beruf, weil man etwas zurückbekommt."

(RP)
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