Stadt Kempen Muss es wirklich immer Abitur sein ?

Stadt Kempen · Diskussionsabend bei der CDA über den richtigen Schulabschluss. Ein Studium muss nicht unbedingt der Königsweg sein. Es gibt auch Alternativen.

 Anne Daniels, Vorsitzende der CDA Kreis Viersen, begrüßte die interessierten Gäste im Kolpinghaus.

Anne Daniels, Vorsitzende der CDA Kreis Viersen, begrüßte die interessierten Gäste im Kolpinghaus.

Foto: wolfgang kaiser

"Bin ich ohne Abitur noch Mensch?" - unter dieser provozierend formulierten Fragestellung stand ein Diskussionsabend, zu dem die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA) Viersen ins Kempener Kolpinghaus eingeladen hatte. Hochrangige regionale Vertreter aus Wirtschaft und Politik standen als Gesprächspartner zur Verfügung, im Publikum befanden sich mehrere Schulleiter des Kreises Viersen, die sich engagiert an der Diskussion beteiligten. Denn das Thema ist "wichtig und topaktuell", wie Anne Daniels, Vorsitzende der CDA - des sozialen Flügels der CDU - bei der Begrüßung betonte. Tatsache ist, dass viele Eltern das Abitur und ein Studium ihres Kindes als sehr erstrebenswert ansehen. Rund die Hälfte eines jeden Grundschuljahrgangs strömt, auch infolge der freien Wahlmöglichkeiten, mittlerweile in die Gymnasien.

Uwe Schummer (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestags, ist eines der besten Beispiele dafür, dass einem auch ohne Abitur alle Wege "bis ins Parlament" offenstehen. Er machte nach dem Hauptschulabschluss eine Ausbildung als Groß- und Außenhandelskaufmann und arbeitete zunächst bei den Stadtwerken Willich. "Ich bin ein Fan der dualen Ausbildung", bekundete er und verwies auf die in Deutschland mit 7,6 Prozent geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Viele Stimmen an diesem Abend schlossen sich dem Loblied auf die Ausbildung in Deutschland an, die sich durch eine Kombination von Lernen im Betrieb und in einer Berufsschule auszeichnet. Und dieser Weg ist keine Sackgasse. Es wurde auf Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten nach einer dualen Ausbildung verwiesen. Ronald Schiefelbein, Leiter der Gesamtschule Nettetal berichtet von den Bemühungen an seiner Schule, die Jugendlichen nach dem Abschluss möglichst zügig in eine Ausbildung zu bringen.

Mit Hilfe von speziellen Coaches soll den Schülern die Angst genommen werden, die er als wesentliches Hindernis ansieht und die viele zunächst einmal in weitere schulische Warteschleifen führe. "Die Arbeitswelt wird als negativ wahrgenommen. Über diese Hürde müssen wir die Schüler bringen," so sein Fazit. Und: "Die Wirtschaft muss sich darauf einstellen, auch mit weniger qualifizierten Schülern klarzukommen." Elke Terbeck, Leiterin des Rhein-Maas-Berufskollegs, ist eine "Befürworterin des Handwerks durch und durch". "Wir brauchen Handwerker", sagte sie und plädierte dafür, auch jungen Menschen mit theoretischen Schwächen einen Schulabschluss zu ermöglichen, etwa indem stufenweise Abschlüsse eingeführt würden. Christoph Hopp, Leiter des Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasiums Viersen, erntet viel Zustimmung auf seine Bemerkung, dass es ein "hausgemachtes Dilemma" gebe. "Wir haben gute Schulformen zerstört", sagte er mit Hinweis auf das Sterben der Haupt- und Realschulen. Er sprach von einem "politisch gewollten Akademisierungswahn", den die Gymnasien schultern müssten. Kritisiert wurden die immer höheren Erwartungen der Ausbilder: "Wenn ich bei einer Bank anfangen will, da fängt der Mensch doch erst mit dem Abitur an", sagte etwa Gunter Fischer, Leiter des Clara-Schumann-Gymnasiums Dülken.

Dabei ist auch der Weg ins Studium nicht immer von Erfolg gekrönt. Eine riesige und schwer zu überschauende Palette von 19.000 Studiengängen stünde mittlerweile zur Verfügung, berichtete Egbert Schwarz, Leiter der Abteilung Weiterbildung bei der IHK Mittlerer Niederrhein. 100.000 Studierende brechen ihr Studium wieder ab und stehen dann ganz ohne Abschluss da. Abgesehen von den persönlichen Problemen sind die gesamtwirtschaftlichen Folgen gravierend: Durch den Mangel an Fachkräften sei bereits ein Schaden von 50 Milliarden Euro entstanden, weil Aufträge nicht abgearbeitet werden konnten, berichtete Uwe Schummer. Doch Lösungen sind wohl nicht nur innerhalb des Systems zu suchen: "Die Digitalisierung und Automatisierung verändert die Arbeitswelt", sagte Egbert Schwarz. "Manche Berufe werden verschwinden. Zig Arbeitsplätze werden wegfallen."

(RP)
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