Willich Mit Provokation gegen Gewalt

Willich · Schauspieler konfrontierten die Achtklässler der Willi-Graf-Realschule hautnah mit provozierenden Täter- und Opfergeschichten. Ein gelungenes Experiment: Viele 14-Jährige reagierten emotional auf diese Art Talkshow.

Nicole wippt ununterbrochen mit ihrem rechten Bein und nestelt nervös an ihrer weißen Wollmütze. Wenn das Mädchen spricht, liegt sofort ein aggressiver Ton in der Luft. "Die fette Qualle" sei selber schuld, dass sie aus dem Fenster gesprungen sei, lästert sie über ein Mobbing-Opfer — und erzählt vor 80 Achtklässlern der Willi-Graf-Realschule, wie sie der Betroffenen ("Ey, die hat gestunken") mit ihren Freundinnen das Leben zur Hölle gemacht hat. Ohne Anflug von schlechtem Gewissen. Schüler, die lachen, werden von ihr rüde abgefertigt und zum Schweigen gebracht. Es fallen Schimpfworte, die man im Pädagogischen Zentrum der Schule sonst nicht gewohnt ist.

Das Spiel wirkt echt

In einer Art Talkshowrunde konfrontierten mehrere Darsteller die 14-Jährigen mit authentischen Gewaltgeschichten aus Täter- und Opferperspektive. Dass hier Schauspieler am Werk sind, wissen die Schüler nicht. Oder sie vergessen es nach den ersten Beiträgen. Denn die Statements und die scheinbar spontanen Ausfälle der "Gäste" wirken echt. So echt, dass es manchmal weh tut und sichtlich an die Grenze geht.

Dafür sorgt "Lützeck": Die Rolle eines strammen, glatzköpfigen Neonazis, der nach einem brutalen Angriff auf einen Asia-Imbiss dazu verurteilt wurde, Schülern seine Geschichte zu erzählen. Und der diese Auflage schamlos ausnutzt, um für braunes Gedankengut zu werben und Reflexe aus der rechten Ecke zu bedienen: "Ausländer kriegen bei uns Millionen. Und wer schläft unter den Brücken? Deutsche!"

Nach der Vorstellungsrunde sollen die Realschüler in Gruppen direkt mit den Akteuren reden. Ein kalkuliertes Experiment, das bei "Lützeck" — natürlich — zu Beschimpfungen führt. "Du bist für mich kein Deutscher!", sagt ein empörter Schüler dem Darsteller ins Gesicht, als der wieder mit Hasstiraden anfängt. Zur aggressiven "Nicole" traut sich dagegen niemand. Zu Kathrin, die ein Gewaltopfer spielt und dem "Lehrer Baumann" treten ein paar Schüler. Nur "Ümit", ein angeblicher Türke, der gern mal "Nazis zusammschlägt", ist ähnlich umlagert wie der "rechte Schläger". Dann die Auflösung durch die Akteure: "Wir sind alle Schauspieler!" Ein merkliches Raunen geht durch den Saal. Die Darsteller (vom Theater Till aus Meerbusch) schlüpfen aus ihren Rollen und entschuldigen sich für das teilweise rüde Spiel.

Lehrer Uwe Müller ist am Ende sehr zufrieden. Das Stück ist Teil der Gewaltprävention an der Realschule. Den Schauspielern sei es gelungen, die Schüler emotional mitzunehmen und sie dazu zu bringen, sich hautnah mit dem Thema auseinanderzusetzen. Im Unterricht soll das Erlebte nun weiter besprochen werden.

(RP)
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