Stadt Willich Mit Kunst gegen die Gewalt in der Welt

Stadt Willich · Beate Krempe setzt sich seit Jahren künstlerisch mit Themen wie Flucht, Vertreiben und Ankommen auseinander. Die Anrather Künstlerin erzählt mit ihren Collagen Geschichten und weckt Begeisterung für Flüchtlingsarbeit.

 Beate Krempe in ihrem Atelier in Anrath: Geboren in Verden an der Aller,studierte sie Kunst und Design in Hannover und arbeitet seit 1989 als freischaffende Künstlerin, seit 1993 lebt sie in Anrath.

Beate Krempe in ihrem Atelier in Anrath: Geboren in Verden an der Aller,studierte sie Kunst und Design in Hannover und arbeitet seit 1989 als freischaffende Künstlerin, seit 1993 lebt sie in Anrath.

Foto: WOLFGANG KAISER

Auf dem Gesicht von Beate Krempe liegt tiefste Konzentration. Die vor ihr liegende Collage aus historischen Fotos, eigenen Aufnahmen und Zeichnungen erhält durch Ölkreiden weitere Bildelemente. Unter den Händen der Anrather Künstlerin entsteht unter zwei Aufnahmen, die das zerstörte Dresden zeigen, der Flügel einer Taube. Ein Stückchen weiter sind es Fotos eines Trabis und eines etwas trostlos wirkenden Waschbeckens aus den 70er Jahren vor einer heruntergekommen Kachelwand, die den Blick auf sich ziehen. "Den Trabi habe ich im DDR Museum Berlin fotografiert und das Waschbecken in einem alten Hause in Borna, südlich von Leipzig", sagt Krempe.

Unter zwei Fenstern, die ebenfalls zur Collage gehören, ist der Schriftzug "Wir kommen wieder" zu lesen. Es sind die Themen Flucht, Vertreiben und Ankommen, die sich in dem Werk von Krempe widerspiegeln. Eine Thematik, die die freischaffende Künstlerin seit Jahren begleitet. In ihren Arbeiten setzt sie sich mit der eigenen Familiengeschichte und den Geschichten von Flüchtlingen auseinander.

Was haben die Großeltern als auch die eigenen Eltern als Kriegskinder erlebt? Was bedeutet diese Traumatisierung heute noch für die nachfolgenden Generationen? Fragen, auf die Krempe Antworten sucht. "Die künstlerische Auseinandersetzung bringt das Thema emotional näher, ob der Krieg einst oder die Kriege jetzt. Es ist das gleiche Leid. Die Geschichte verändert sich, aber was Menschen erleiden, bleibt gleich. Es ist ein Thema, das bewegt", sagt die 51-Jährige und stellt die Frage in den Raum, welche Schrecken eine Mutter veranlasst, ihre Kinder in ein Boot zu setzen, weil sie dies für sicherer hält als ein Leben in ihrem Heimatland.

Den Auslöser stellten ihre eigenen Kinder da. Sechs, acht und zehn Jahre alt, fragten sie im Jahr 2001 vor den Ereignissen des 11. Septembers, was eigentlich Frieden und Freiheit heißen würden. Krempe, die damals selber am 13. September 2001 nach Toronto fliegen wollte, griff das Thema anhand der eigenen Familiengeschichte künstlerisch auf und weitete es im Lauf der Jahre aus. Sie beschäftigte sich mit dem ersten Genozid des vergangenen Jahrhunderts, der die Armenier 1915 im Osmanischen Reich betraf.

Es entstanden Kontakte unter anderem zur Werhahn-Mees-Stiftung für Kulturaustausch. Durch Kulturevents half die Anratherin Gelder für ein Kulturzentrum in Armenien zu sammeln. Zwischen dem heute bestehenden Zentrum findet in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt Neuss ein intensiver Kulturaustausch statt. Aktuell organisiert Krempe eine Künstlerreise für das kommende Jahr, bei dem deutsche und armenische Künstler gemeinsam ausstellen werden.

Ob das Granatapfel-Projekt mit Kindern und Jugendlichen, das Kulturfahnen-Projekt in Zusammenarbeit mit dem Bürgerbüro Breyell oder die Entstehung des Ateliers Art.together in Willich, in dem deutsche Künstler zusammen mit geflohenen Künstlern arbeiten - Krempe engagiert sich über die Kunst ehrenamtlich, um Menschen zusammenzubringen und über Schicksale zu informieren. "Die Flüchtlinge erzählen mir ihre Geschichten, und ich gebe dem ein künstlerisches Gesicht, mit dem ich auch einen Appell verbinde. Was wäre, wenn man selber betroffen wäre? Sich einmal in die Situation hineinversetzen, um zu verstehen, das möchte ich erreichen. Denn nur so können wir Frieden und Freiheit bewahren", sagt die Anratherin. Auf diesem Weg der künstlerischen Bewegung sind zudem etliche Netzwerke entstanden. So geht das Kulturfahnenprojekt jetzt über die Galeriekontakte von Krempe zur Wiener Integrationswoche. Bis zum 10. Mai sind die Werke in der Mozartstadt zu sehen.

Krempe bezeichnet ihren ehrenamtlichen Einsatz rund um die Flüchtlinge dabei als Bereicherung. "Für mich ist es ein großes Geschenk, dass alles so lebendig geworden ist", freut sie sich, zumal das künstlerische Zusammenarbeiten mit den Flüchtlingen auch den eigenen Stil beeinflusst. Krempes Werke sind farbintensiver geworden.

Das nächste Projekt zusammen mit den geflüchteten Künstlern steht übrigens auch schon an. Krempe möchte zusammen mit den Künstlern an Schulen gehen und dort gemeinsam Kunstprojekte durchführen.

(RP)
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