Brandenburg, Berlin, Mecklenburg und dann Rheinland Rückblick auf ein bewegtes Leben

Anrath · Die 86-jährige Willicherin Marianne Bieniek hat ihre Lebenserinnerungen aufgeschrieben. Mit dem Blick der Zeitzeugin schaut die Seniorin zurück. In Anrath las sie jetzt vor 30 Zuhörern aus ihrer Biografie.

 In der Anrather DRK-Begegnungsstätte las die 86-jährige Marianne Bieniek aus ihren Lebenserinnerungen vor. Rund 30 Zuhörer hatten sich zusammengefunden.

In der Anrather DRK-Begegnungsstätte las die 86-jährige Marianne Bieniek aus ihren Lebenserinnerungen vor. Rund 30 Zuhörer hatten sich zusammengefunden.

Foto: Wolfgang Kaiser (woka)

Als Marianne Bieniek geboren wird, gibt es kein Fernsehen und kaum Autos auf den Straßen. Die Weimarer Republik existiert noch, und Hitler ist noch nicht an der Macht. Heute ist Marianne Bieniek 86 Jahre alt und blickt zurück auf ein langes, ereignisreiches Leben. „Ode an die Freiheit“ heißt das Buch, in dem die Willicherin gemeinsam mit der Kempener Biografin Christiane Willsch ihr Leben festgehalten hat. In der DRK-Begegnungsstätte am Kirchplatz lasen die beiden Frauen jetzt aus der 100 Seiten umfassenden Biografie.

Marianne Bieniek wird als erstes von vier Kindern im Februar 1932 im brandenburgischen Dahnsdorf geboren. „Meine Eltern hatten einen Gartenbaubetrieb“, erzählt die Seniorin. Als sie fünf Jahre alt ist, verlässt der Vater die Familie. „Meine Mutter zog mit uns zu den Großeltern nach Berlin-Charlottenburg.“ Dort sei sie freiheitlich und gut situiert aufgewachsen. 1940 aber müssen die Kinder raus aus der Stadt. Marianne und ihr Bruder Kristian landen bei einer Familie in Neu-Berun. „Die Nachbarstadt war Auschwitz“, sagt die 86-Jährige, „ich habe schon als Kind gewusst, was dort passiert, wenn ich die Dimension auch noch nicht ermessen konnte.“

1942 kommen die Kinder zurück nach Berlin, 1943 werden sie gemeinsam mit ihrer Mutter aus dem brennenden Berlin nach Kolberg in Pommern evakuiert. „Es war eine Flucht ins Ungewisse“, erinnert sich die Willicherin. Als sie eines Tages gemeinsam mit ihrem Bruder und der Mutter Holz sammelt, beschießen amerikanische Tiefflieger einen Bauern auf seinem Feld. Ihr Bruder Kristian bekommt einen Bombensplitter ab und stirbt. Für die 13-jährige Marianne ein schwerer Verlust.

Nach dem Krieg lebt die kleine Familie in Mecklenburg. „1950 unternahm ich mit meiner Mutter eine Reise zur Verwandtschaft in den Westen“, schildert die Seniorin. Per Anhalter fahren die beiden Frauen nach Köln, Dinslaken und Kleve. „Auf dem Rückweg wurden wir an der Grenze abgefangen und verbrachten eine Nacht im Gefängnis“, erinnert sich die Seniorin. 1951 legt Marianne Bieniek das Abitur ab. Sie geht nach West-Berlin, um Journalistin zu werden.

Aber nach einem Jahr im Verlag stellt sie fest, dass sie lieber Medizin studieren möchte. Also schreibt sie sich an der Humboldt-Universität ein, wo ein gewisser Hans Joachim Bieniek Veterinärmedizin studiert. 1956 heiraten die beiden und bleiben 62 Jahre lang zusammen. Marianne Bienick bricht das Medizinstudium ab, weil es immer schwerer wird, in West-Berlin zu leben und in Ost-Berlin zu studieren. „Ich habe eine Ausbildung zur Kinder- und Säuglingsschwester gemacht“, erzählt die Willicherin.

Drei Kinder bekommt das Paar, das von West-Berlin nach Sielmingen bei Stuttgart, später nach Prüm in die Eifel und schließlich nach Willich zieht. Ein Schüleraustausch mit Familien in Tours wird für Marianne Bieniek zur Berufung. Mehr als 25 Jahre engagiert sie sich für den Schüleraustausch.

Außerdem bauen die Bienieks eine Nerzfarm auf. Einen Mantel aus der eigenen Zucht trägt die Seniorin noch heute. „Ich habe das Gefühl, immer aus allem das Beste gemacht zu haben und bin dankbar für alles, was ich erleben durfte“, resümiert die 86-Jährige nach der Lesung abschließend. Wichtig sei, an den Werten Respekt und Toleranz festzuhalten und bereit zu sein, Kompromisse einzugehen.

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