Kabarett in Neersen Im Leben falsch abgebogen

Willich · Frech, gradlinig und mit einem Vokabular, das so manchen Besucher überraschte: Mit ihrem Programm „Das Weg ist mein Ziel“ war Lioba Albus im Rahmen des Kulturprogramms der Stadt Willich in der Neersener Motte zu Gast.

 In der Neersener Motte präsentierte Lioba Albus ihr Programm „Das Weg ist das Ziel“.   Foto: Prümen

In der Neersener Motte präsentierte Lioba Albus ihr Programm „Das Weg ist das Ziel“. Foto: Prümen

Foto: Norbert Prümen (nop)

Rote Schuhe mit hohen Absätzen und eine blonde Perücke in Form einer Pagenkopffrisur dekorieren einen Tisch auf der Bühne in der Motte von Schloss Neersen. Daneben zieren eine Jacke im Leopardenlook sowie weitere Outfits einen Garderobenständer. Zudem ist dort auf einzelnen Plakaten zu lesen: „Weg Weiser günstig abzugeben“. Eine etwas ungewöhnliche Dekoration, aber ungewöhnlich ist auch die Frau, die im Sturmschritt auf die Bühne gedonnert kommt. „Freunde des guten Geschmacks! Jetzt guckt euch erst mal an mir satt. Für euch habe ich heute nix weggelassen“, schmettert sie in die Besucherreihen.

Laute Lacher sind die Antwort. Denn das, was da im schwarzen Stufenrock, gleichfarbigem Oberteil mit Spitzeneinsatz, grauer Strickjacke, Perlenkette und XXL-Glitzerhandtasche auf der Bühne steht, ist ein Universum von gutem Geschmack entfernt. Die grauhaarige Mia Mittelkötter, dargestellt von Lioba Albus, ist zum ersten Mal in Neersen gelandet. Und wo diese Frau auftaucht, wird Tacheles geredet. Albus nimmt kein Blatt vor den Mund. Es geht heftig, deftig zu, insbesondere, wenn sie über Raser, Politik und Sex redet.

Doch zunächst einmal geht es um das „Weg“. „Was ist weg? Wo der Weg zum Weg wird. Haben sie schon einmal überlegt, warum das gleich geschrieben wird?“, will Mittelkötter wissen. Ihre Feststellung: Das mit dem „Weg“ ist Unsinn. Denn wer da weg wäre, tauche dort wieder auf und sei demnach gar nicht weg. „Das ist wie das Kind, das die Augen zumacht und sagt, du kannst mich nicht sehen.“ Wobei sie ihren Ehemann auch mal gerne weg hätte.

Dass der Tod kein endgültiges Weg ist, hat sie selbst bei ihrer Schwiegermutter erlebt. Weil es auf dem Land keine Alten-WG wie in der Stadt gibt – hier stellt sich Mittelkötter dabei die Frage, ob man das „e“ in „WG“ einfach nur vergessen hat –, hat sie nämlich „das Gisela“ aufgenommen und nach deren Ableben als Katze wiederbekommen. Als Mittelkötter geht sie Sprüchen wie „Weniger ist mehr“ auf den Grund und entlarvt „Fakebook“ als geistigen Durchfall, denn „da kommt mit einem Klick so viel Mist rein“. Sie spricht von Zeiten, in denen es noch Geschäfte gab, in denen richtige Menschen andere fragten, was sie für sie tun könnten. „Das kennen junge Leute nicht mehr. Die bestellen, und Lkw rollen über die Straßen“, sagt Mittelkötter.

Dann der Wechsel von Mittelkötter zu Albus: Perücke vom Kopf, Strickjacke weg und den schwarzen Stufenwickelrock runter, wobei darunter ein rotes, eng anliegendes Modell zum Vorschein kommt. Albus mit ihrem frechen Kurzhaarschnitt steht vor den Besuchern. Eine Frau, die sich wünscht, schon mit 60 Jahren auf die Welt gekommen zu sein, denn dann „hat man viele Freiheiten“, philosophiert sie. Ihr durchaus vulgäres Vokabular überrascht den einen oder anderen Zuhörer. Die Reaktionen: laut lachen oder schlucken.

Sie bleibt aber nicht nur Albus. Mit der blonden Perücke auf dem Kopf, den roten statt den schwarzen Schuhen an den Füßen und mit der Leopardenjacke über dem roten Rock, spricht sie von früheren Gesprächen, von „Fresse zu Fresse, die die Kerle und Weiber heute gar nicht mehr drauf hätten“. Dazu kommen Weisheiten wie die für sie bestehende Tatsache, dass Frauen in Raubtierprintklamotten frustriert sind, Jeans mit Löchern Mitleid erregen, und wer immer im Leben falsch abbiegt, der kriegt Depressionen. Albus ist ein Unikat, egal in welcher Rolle sie auftritt. Sie bringt ihr Publikum immer wieder aufs Neue zum Lachen, wenngleich so mancher Hintergrund mehr als ernst ist.

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