Willich Leidenschaft für Mode neu geweckt

Willich · Im Seniorenhaus des Antoniuszentrums St. Tönis gibt es einmal in der Woche einen Second-Hand-Basar. Für die Bewohner ist das "Mode-Stübchen" auch eine Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen.

 Annegret Giesen (von links) zeigt Emilie Jöressen, deren Tochter Rosi Becker und Gertrud Lucasek eins der vielen Klaidungsstücke, die es im "Mode-Stübchen" zu kaufen gibt.

Annegret Giesen (von links) zeigt Emilie Jöressen, deren Tochter Rosi Becker und Gertrud Lucasek eins der vielen Klaidungsstücke, die es im "Mode-Stübchen" zu kaufen gibt.

Foto: Wolfgang Kaiser

Elsa Frey ist begeistert. "Ich war früher Verkäuferin bei Karstadt und habe als Fotomodell hin und wieder etwas Geld dazu verdient", erzählt die 88-Jährige, die im Seniorenhaus des Antoniuszentrums lebt. Damals habe sie viele Kleider und viel Schmuck besessen. Diese Leidenschaft hat die alte Dame jetzt wieder entdeckt, und so füllt sich langsam wieder ihr Kleiderschrank. Ein paar hübsche Halsketten mit bunten Glasperlen hat sie sich außerdem zugelegt. Dafür musste die Seniorin nicht mal das Haus verlassen, denn seit ein paar Wochen gibt es das "Mode-Stübchen" im Antoniuszentrum an der Gelderner Straße.

Jeden Dienstagnachmittag, wenn das Café für die Bewohner und ihre Angehörigen im großen Gemeinschaftsraum geöffnet ist, kommen vier Ehrenamtlerinnen ins Haus. Aus einem Lagerraum im Keller holen sie zwei rollende Kleiderständer voller Blusen, Jacketts, Pullover und Hosen. "Das sind alles getragene Kleidungsstücke", erklärt Anne Friedrichs, die gemeinsam mit Annegret Giesen das "Mode-Stübchen" initiiert hat. "Wir haben fast ein Jahr lang Second-Hand-Kleidung gesammelt, die den Geschmack von älteren Menschen trifft", sagt Friedrichs. Groß ist jetzt die Auswahl für die Senioren.

Die Ehrenamtlerinnen legen Wert auf gute Qualität und einen guten Zustand der Kleidung. Das bestätigt auch Fachfrau Elsa Frey: "Die Sachen sind wirklich hochwertig und sehen aus wie neu." Darüber freuen sich die Kunden. Eine davon ist Elisabeth Kaufmann. "Ich gehe selten in die Stadt, um Kleidung zu kaufen", sagt die Seniorin. Umso schöner sei es, dass sie nun eine so große Auswahl im Seniorenheim habe.

Für die meisten Bewohner sei ein Stadtbummel so ohne Weiteres gar nicht mehr möglich, sagt Jutta Hartmann, die das Seniorenhaus leitet. Viele seien gehbehindert, und auch das Geld sei meist knapp. Die Heimleiterin war deshalb gleich bereit, die Idee des Second-Hand-Verkaufs zu unterstützen. "Es ist ein tolles Angebot für unsere Bewohner", sagt sie. Die Kleidung sei hochwertig und trotzdem bezahlbar. "Und das Gefühl, ein gutes Schnäppchen gemacht zu haben, beflügelt die Menschen", weiß Hartmann. Außerdem sei es schön zu sehen, wie die Bewohner über den Einkauf ins Gespräch kämen und sich gegenseitig in Stil und Farbauswahl beraten. "Und eine Eitelkeit, die ganz verloren gegangen war, wird neu erweckt", freut sich Jutta Hartmann. Initiatorin Anne Friedrichs ist froh, das zu hören: "Es geht uns nicht ums Verkaufen, wir möchten ein Lebensgefühl vermitteln."

Das Geld, das das "Mode-Stübchen" einnimmt, geht sofort an den Förderverein des Hauses. Die Idee des Second-Hand-Basars hat sich die St. Töniserin in einem Seniorenhaus in Krefeld abgeschaut. "Dort gibt es das schon seit einigen Jahren mit großem Erfolg", sagt die Frührentnerin, die schon länger auf der Suche nach einem Ehrenamt war. "Nach einer Krebserkrankung hatte ich das Gefühl, ich möchte etwas zurückgeben", erzählt die 62-Jährige. Mit dem "Mode-Stübchen" hat sie das geschafft.

(WS03)
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