Adventserie Musik Und Wunder Klingende Sterne - oder das virtuose Koordinatensystem des Zufalls

Willich · Marcell Feldberg, Schriftsteller und Kirchenmusiker in Schiefbahn, schreibt für die Rheinische Post zu jedem Adventwochenende eine Geschichte.

Der Sternenhimmel im Dezember ist etwas Besonderes. Wer möchte nicht einmal so etwas wie den Morgenstern entdecken, der vor 2000 Jahren die Geburt Jesu im unendlichen Dunkel des Weltalls anzeigte? Der Kometenschweif, der als Zeichen verstanden worden war, ist von ähnlich wunderbarer Ausstrahlung wie eine von jenen Sternschnuppen, die im vergangenen Sommer vom Nachthimmel herabregneten. Wie viele menschliche Wünsche mögen da in diesen Momenten von der Erde emporgestiegen sein? Auch das Polarlicht übt immer wieder eine große Faszination aus. Das Nordlicht am Sternenhimmel entsteht aus Teilchen des Sommerwindes, die in oberen Schichten in die Erdatmosphäre treffen. Man stelle sich solche Himmelserscheinungen mal als Konfiguration von Klängen vor.

Diese Idee, Sternbilder in Töne zu verwandeln hatte auch der amerikanische Komponist und "Erfinder von Musik", John Cage, als er seine "Etudes Australes" komponierte. Dem monumentalen Klavierwerk lag die Sternenkarte des "Atlas Australis" zugrunde. Cage übertrug eine Auswahl von Planeten und Sternen der Himmelskarte der südlichen Halbkugel auf Transparentpapier. Die Punkte übersetzte er in Töne der kompletten Klaviatur eines Flügels. Mithilfe des chinesischen I-Ging- Orakels konfigurierte er immer neuen Abläufe von Tönen und Klängen. So entstand eine schier unaufhörliche, ja beinahe unendliche Folge von mehr oder weniger dichten Klangkristallen, mal strahlend hell, dann wieder flüchtig dahin huschend, mal von ganz komplexer Struktur, dann wieder in Gestalt eines einzigen Tons: Ein virtuoses Koordinatensystem des Zufalls inmitten der sogenannten kosmischen Ordnung. Wie mag denn ein solcher Lichtfingerzeig in einer Nacht im Dezember klingen? Am besten man geht nach draußen. Hinausgehen. Auf offener Straße in den vielleicht offenen Himmel blicken: Lesen: Wandern gehen in fernen Welten, aus der Stube über die Sterne...Man stelle sich die blitzenden Töne eines Sternfeuers vor, oder den stillen Ton eines entfernten Planeten. Vielleicht hört man dann auch einen langgezogenen aufgelösten Akkord, dessen Töne nacheinander wie in einer Schleppe erklingen, also so etwas wie einen Schweifstern in der Morgendämmerung. In diesem Jahr gibt Jupiter den Weihnachtsstern. Der Überbringer der Fröhlichkeit, wie Jupiter gerne genannt wird, käme dann möglicherweise lebhaft, ja spielerisch daher. Zeichen und Töne: Man käme aus dem Staunen und Wundern nicht mehr heraus.

MARCELL FELDBERG

(RP)
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