Stadt Willich Kein Kind soll verlorengehen

Stadt Willich · Die allgemeine Schulpflicht für Mädchen und Knaben wurde zuerst 1592 im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken eingeführt. Heute betrifft sie auch Kinder, die mit ihren Familien aus ihren Heimatländern nach Deutschland geflohen sind.

 Dr. Lucia Verhees (4. v.re.) betreut seit 1996 die Sprachförderung an den weiterführenden Schulen in Willich.

Dr. Lucia Verhees (4. v.re.) betreut seit 1996 die Sprachförderung an den weiterführenden Schulen in Willich.

Foto: Nadia Joppen

Der Leiter des Geschäftsbereichs Schule, Sport, Kultur bei der Stadt Willich, Bernd Hitschler, ist zuversichtlich: "Ich glaube, dass wir eine gute Organisationsform gefunden haben, in der kein Kind verlorengeht. Pädagogisch sind dann die Schulen zuständig". Er bezieht sich auf die Frage, wie die Stadt dafür sorgt, dass jedes Kind - aus deutschen wie aus ausländischen Familien - in die Schule geht und die notwendigen Deutsch-Kenntnisse erwirbt.

Zuständig für die Organisation ist Linda Coolen. Sie zeichnet mit Hitschler ein differenziertes Bild: In Willich leben Kinder aus ausländischen Familien, die rechtmäßig nach Deutschland gezogen sind. Für deren Eltern gilt das gleiche Recht wie für deutsche Eltern: Sie können die Schule für ihr Kind wählen. Die Erfahrung der Schulverwaltung: Diese Eltern kümmern sich selbstständig um das Thema Schule und Sprache. Ebenso leben in Willich aber Kinder, die sich mit ihren Eltern als Flüchtlinge im Asylbewerber-Verfahren befinden und denen die Stadt als dauerhafter Wohnort zugewiesen wurde. Auch für sie gilt die Allgemeine Schulpflicht - während das Verfahren läuft und bei Ablehnung bis zum Tag der Abschiebung aus Deutschland. Damit das im Sinne der Kinder gut funktioniert, gibt es eine intensive Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Verwaltungsbereichen und dem Arbeitskreis Fremde in der Stadt Willich, beschreibt Coolen. Sie erhält von ihren Kollegen im Geschäftsbereich Jugend/Soziales die Information, wenn der Stadt Familien mit schulpflichtigen Kindern zugewiesen werden. Dann leitet sie diese an Jutta van Amern vom Arbeitskreis weiter. "Sie nimmt die Familien an die Hand, um die Kinder in der richtigen Schule unterzubringen", so Coolen.

In Willich haben sich mehrere Schulen darauf spezialisiert, Kinder mit wenig oder gar keinen Deutsch-Kenntnissen aufzunehmen, und bieten für sie spezielle Förderung an: im Grundschulbereich seit rund 18 Monaten die Schule im Mühlenfeld (Willich) und seit September 2014 wegen des gestiegenen Bedarfes auch die Albert-Schweitzer-Schule in Anrath. Im Bereich weiterführende Schulen gibt es an der Johannesschule und an der Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule spezielle Sprachförderung. "Grundsätzlich gilt natürlich auch für diese Kinder, dass ihre Eltern die Wahlfreiheit haben. Die Spezialisierung ist ein Angebot der Schulen und der Schulverwaltung", so Hitschler.

Die Schulen haben dafür Verantwortliche benannt - so ist Dr. Lucia Verhees an der Gesamt- und der Hauptschule für die Sprachförderung zuständig. Sie betreut das Thema seit 1996 und hat ein eigenes Konzept und eigenes Lehrmaterial dafür entwickelt. Das Prinzip: Die Kinder aus den ausländischen Familien werden einer regulären Klasse zugeteilt. Sie nehmen an den Fächern teil, in denen die mangelnden Deutschkenntnisse kein Problem darstellen, und machen bei anderen Klassenaktivitäten mit, damit sie Anschluss an die Schulkameraden gewinnen. "Das sorgt für eine bessere Integration", erklärt Schulleiter Eduardo Träger. Während der restlichen Schulzeit besuchen die ausländischen Kinder die in eigenen Räumen untergebrachte Sprachförderung. Dort leitet sie Verhees an, unterstützt von Ehrenamtlern oder jungen Leuten, die das Freiwillige Soziale Jahr absolvieren. Ziel ist es, die Kinder so zu fördern, dass sie immer mehr am "normalen" Unterricht teilnehmen können und sich die Sprachförderung reduziert.

Die Gruppe an der Gesamtschule ist international, die Kinder kommen aus osteuropäischen, asiatischen und afrikanischen Ländern. Sie haben ganz unterschiedliche Vorkenntnisse - von "gar keine Schulbildung" bis zum früheren Gymnasiasten. Verhees beobachtet die Kinder genau und legt immer wieder neu fest, in welchen Fächern sie am regulären Unterricht teilnehmen können. Sie habe zum Beispiel seit einiger Zeit ein Kind in der Gruppe, das als Analphabetin kam, "aber sie hat das Potenzial für das Abitur", meint Verhees.

An einem Tisch sitzen Esmeralda (14 Jahre) und Shaqir (10 Jahre) aus Albanien mit der elfjährigen Lindora aus dem Kosovo: Die drei sollen Vokabeln lernen und können sich aufgrund der gemeinsamen Muttersprache untereinander helfen: "Es macht Spaß, hier zu sein, wir finden es gut", meinen sie übereinstimmend.

(djm)
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