Smart-Home-Siedlung in Neersen Wie künstliche Intelligenz zum energieeffizienten Wohnen beitragen kann

Neersen · In einem neuen Wohnquartier in Neersen helfen die Stadtwerke Willich, ein Energiesystem zu etablieren, bei dem Strom, Wärme und Mobilität computergesteuert aufeinander abgestimmt werden. Wie das funktionieren kann.

Noch ist das Wohnquartier am Schwarzen Pfuhl in Neersen nur eine Baustelle. Ab Herbst 2023 sollen die ersten Wohnungen bezugsfertig sein.

Noch ist das Wohnquartier am Schwarzen Pfuhl in Neersen nur eine Baustelle. Ab Herbst 2023 sollen die ersten Wohnungen bezugsfertig sein.

Foto: Norbert Prümen

Einige Erdhügel sind zu sehen, ein paar Bagger stehen herum – noch ist nicht viel zu erkennen. Doch an der Hauptstraße, Ecke Venloer Straße entsteht unmittelbar vor dem Ortseingang Neersen ein neues Wohnquartier.

Das Neubauprojekt „Am Schwarzen Pfuhl“ gibt eine Idee davon, welche Rolle Automatisierung durch künstliche Intelligenz im Hinblick auf energieeffizientem Wohnen zukünftig spielen könnte. Mit Unterstützung der Willicher Stadtwerke baut die Gartmann-Reuter GbR – Gartmann Projektentwicklung GmbH aus Kaarst und Reuter Projektentwicklung GmbH aus Grevenbroich – eine sogenannte Smart-Home-Siedlung.

Auf 6000 Quadratmetern entstehen nach Planung des Architekturbüros Gartmann drei Mehrfamilienhäuser mit 24 Wohneinheiten und sechs Doppelhaushälften mit insgesamt rund 3.100 Quadratmetern Wohnfläche. Eine Tiefgarage bietet 27 Fahrzeugen Platz, während auf dem Außengelände weitere 24 Parkplätze, zum Teil auch als Carports, zur Verfügung stehen. Baubeginn ist im Sommer 2022. Die ersten Übergaben sind für Herbst 2023 geplant.

Das Besondere an diesem Neugebiet ist dabei die Vernetzung von ressourcenschonenden Strukturen und innovativer Technologie. Mit anderen Worten: Strom, Wärme und Mobilität werden intelligent aufeinander abgestimmt. Insbesondere die Wärmeversorgung spielt dabei eine zentrale Rolle. Eine hybride Heizanlage mit einer Luft-Wärmepumpe, die auf eine Leistung von 120 Kilowatt kommt, und einem Blockheizkraftwerk (BHKW) von 35 Kilowatt versorgt die Wohneinheiten. Dabei deckt die Leistung der Wärmepumpe den kompletten Heizbedarf und die Trinkwassererwärmung für die Haushalte ab. Das Blockheizkraftwerk wird erst dann zugeschaltet, wenn die Außentemperatur stark abfällt oder ein besonders hoher Bedarf an Warmwasser besteht.

Ein wesentliches Merkmal der Nahwärme-Versorgung besteht in der computergesteuerten Gebäude-Automation. Das bedeutet, dass für jedes Gebäude der aktuelle Heiz- und Warmwasserbedarf produziert wird und die entsprechende Wärmemenge in die Haushalte fließt. Dabei ist das Blockheizkraft bereits für die Beimischung oder den direkten Betrieb von Wasserstoff konzipiert. Sollte in einigen Jahren die Technik soweit entwickelt sein, dass Wasserstofftanks eingesetzt werden können, könnte das BHKW auch ausschließlich mit Wasserstoff betrieben werden, heißt es von den Stadtwerken.

Zudem kommt ein Teil des benötigten Stroms im Quartier vom vom Dach. Die drei Mehrfamilienhäuser werden mit drei Photovoltaik-Anlagen ausgestattet, die zusammen jährlich über 43.000 Kilowattstunden Strom erzeugen. Fast 65 Solarpanelen produzieren damit genug Energie, um sowohl die Heizanlage zu betreiben, als auch die rund 38 Parkplätze mit Strom zu versorgen. An den Stellplätzen in der Tiefgarage und auf dem Außengelände werden auf Wunsch der späteren Eigentümer Ladesäulen oder Wallboxen für E-Fahrzeuge installiert.

Projektleiter Dimitrios Trentos von den Stadtwerken erläutert: „Dabei verläuft die Stromlieferung für die Fahrzeuge smart. Wir reden von einem intelligenten Lastmanagement.“ Stromnetze haben eine begrenzte Leistungsfähigkeit, was beim Aufbau der Ladeinfrastruktur durch ein intelligentes Lastmanagement gelöst wird. Beim gleichzeitigen Laden mehrerer E-Fahrzeuge wird automatisch geregelt, welches Fahrzeug mit welcher Menge an Strom versorgt wird.

Bei guter Sonnenausbeute könnten zudem, so rechnen die Stadtwerke vor, rund 35 Prozent des benötigten Stroms für die Haushaltsnutzung in den Mehrfamilienhäuser ebenfalls durch Solarenergie produziert werden. Die Einfamilienhäuser könnten mit einer Solaranlage nachträglich ausgestattet werden, für sie werden aber zusätzliche Anschaffungskosten fällig. Von einer Vollversorgung durch eigene Photovoltaik-Anlagen ist das aber noch ein Stückchen entfernt.

Der Aufsichtsratsvorsitzende Paul Schrömbges, der auch für die CDU im Stadtrat sitzt, sagt: „Umwelt und Wohnende profitieren gleichermaßen von dieser innovativen Technologie.“ Das zentrale Heizsystem spart nicht nur dem Einzelnen die Heizung im Keller, es arbeitet auch deutlich effizienter als herkömmliche Heizsysteme und kann digital von den Stadtwerken je nach Bedarf gesteuert werden. Dies garantiert ein schnelles Eingreifen bei Störungen. Bauleiter Lars Nitsch sagt: „Bevor Sie merken, dass die Heizung ausgefallen ist, haben wir schon die Störmeldung erhalten und unseren Service losgeschickt.“ Durch die Digitalisierung der Nahwärme können die Haushalte der Einfamilienhäuser ihre Energieverbräuche mit dem Smartphone abrufen und steuern. Bequem kann von unterwegs die Heizung höher gedreht werden, so dass es angenehm warm ist, wenn man zuhause eintrifft.

Geschäftsführer Tafil Pufja ist sich der aktuellen Lage an den Energiemärkten und der Versorgung mit Rohstoffen bewusst: „Das neue Quartier ist ein logischer Schritt in eine zukunftsorientierte und ressourcenschonende Energieversorgung. Ein optimales Energiemanagementsystem bedeutet, jede Wohnung und jedes Haus clever mit möglichst regenerativer Energie zu versorgen, die damit bezahlbar bleibt.“

(jbu)
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