Stadt Willich Häftlinge helfen Flüchtlingen in Syrien

Stadt Willich · Inhaftierte des Männergefängnisses in Anrath haben die Nachrichten über das Flüchtlingselend in Syrien und im Irak zum Anlass genommen, Geld für Hilfsaktionen zu sammeln. Action Medeor wird dorthin Hilfspakete schicken.

 Freuen sich über das Engagement der Gefangenen in der JVA Anrath (von links): Heike Wehlings, Ulrike Böhm, Beate Peters, Lutz Aupperle (evangelischer Pfarrer), Thomas Leesker in der Gefängniskapelle.

Freuen sich über das Engagement der Gefangenen in der JVA Anrath (von links): Heike Wehlings, Ulrike Böhm, Beate Peters, Lutz Aupperle (evangelischer Pfarrer), Thomas Leesker in der Gefängniskapelle.

Foto: WOLFGANG KAISER

"Wir sind ja selbst schuld, aber die Flüchtlinge können doch nichts dafür", sagt in der Kapelle des Männergefängnisses Reinhold K. Der 46-Jährige sitzt seit etwa einem Jahr dort ein und rechnet 2017 mit seiner Entlassung. Den Grund seiner Inhaftierung will Reinhold K., der zum Küster der Kapelle geworden ist, nicht nennen. Stattdessen erzählt er von einer bemerkenswerten Initiative. Nachdem Gefangene von den Flüchtlingsströmen ins Syrien gehört hatten, informierten sie sich weiter darüber und fassten wenig später den Entschluss, etwas für die Flüchtlinge zu tun. Es ging der Spendentopf rum und es kamen exakt 1200 Euro zusammen.

Wenn man weiß, dass viele Inhaftierte für ihren persönlichen Bedarf über ein monatliches Taschengeld von nur 30 Euro verfügen, ist dieses Engagement gar nicht hoch genug einzuschätzen. Darin waren sich auch Justizvollzugsbedienstete einig. "Etwa 80 Gefangenen haben mitgemacht und gespendet", fasst der evangelische Gefängnisseelsorger Lutz Aupperle zusammen. Er erinnert daran, dass es im Männerhaus unter anderem Arbeitskreise gibt, die regelmäßig zusammen kommen und über Gott und die Welt sprechen.

Man wollte helfen, wusste aber zunächst nicht wie und wem. Aus Reihen der Gefangenen wurde dann das Vorster Medikamentenhilfswerk "action medeor" genannt. Der dort für die Bildungsarbeit zuständige Norbert Vloet wurden dann vom Arbeitskreis eingeladen, nannte unter anderem Einsatzmöglichkeiten der Hilfe. Auch ein anderer Arbeitskreis, den dort der katholische Geistliche Ralph Kreutzer leitet, griff die Idee auf.

Die 1200 Euro sollen bald an ein Flüchtlingslager im Nordirak gehen, dorthin werden dann von "Action Medeor" Decken, Medikamente und andere medizinische Hilfsgüter gebracht. "Eine solche Hilfsbereitschaft von Gefangenen habe ich noch nicht erlebt, dies ist bewunderns- und bemerkenswert", sagt Norbert Vloet bei seinem Besuch im Männergefängnis. Er brachte eine große Spenden-Urkunde und ein Dankesschreiben mit. "Diese werden wir jetzt vervielfältigen und überall aufhängen, damit die Gefangenen auch sehen, was aus ihren Euros geworden ist", meint Lutz Aupperle.

Norbert Vloet hat aber auch noch eine zweite Urkunde dabei. Denn neben den 1200 Euro sind beim dritten stark angenommen Weihnachtsmarkt der männlichen und weiblichen Inhaftierten weitere 2500 Euro zusammen gekommen. Und die gehen ebenfalls an das Medikamenten-Hilfswerk. "Dafür kaufen wir Medikamente für ein Waisenhaus in Cyangugu, das wir seit etwa 14 Jahren unterstützen", erklärt Norbert Vloet. Er dankt im Beisein der beiden Anstaltsleiterinnen Birgit Peters (Männerhaus) und Ulrike Böhm (Frauenhaus) allen Beteiligten dieses Weihnachtsmarktes, der 2012 mit einem Erlös von rund 800 Euro an die Lebenshilfe begonnen hatte.

Für die Gefangenen beginnt naturgemäß über die Weihnachtstage eine besonders schlimme Zeit. Gottesdienste, großzügigere Umschlusszeiten oder viele Gespräche sollen ihnen im Gefängnis die Zeit ohne ihre Familien erleichtern.

(wsc)
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