Stadt Willich Golfkriege führten zu stärkerer Abgrenzung

Stadt Willich · Auf Einladung des Arbeitskreises Fremde referierte Jörg Erik Klußmann von der Evangelischen Akademie Rheinland in Willich.

 Der aktuelle Vortrag war die inzwischen vierte Fortbildungsveranstaltung dieser Art beim Arbeitskreis Fremde in Willich.

Der aktuelle Vortrag war die inzwischen vierte Fortbildungsveranstaltung dieser Art beim Arbeitskreis Fremde in Willich.

Foto: WOLFGANG KAISER

Es ist ein brisantes und ein sehr aktuelles Thema. Über "Politische Dimensionen des Islam" sprach der Studienleiter der evangelischen Akademie Rheinland auf Einladung des Vereins Arbeitskreis Fremde (AKF) in Willich. Denn die Begegnung mit dem Islam löst derzeit viele Unsicherheiten, Vorurteile und Ängste aus. Diese Erfahrung macht auch der AKF bei seiner täglichen Arbeit immer wieder.

Seit 25 Jahren betreut der gemeinnützige Verein die Flüchtlinge der Kommune Willich, besonders in den Bereichen Sprachförderung und Bildung. Ruth Stieglitz vom AKF begrüßte mit Jörgen Erik Klußmann einen ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet. Der 55-jährige Journalist und Buchautor hat Islamwissenschaften, Politologie und Afrikanistik studiert, arbeitete unter anderem als Konfliktberater in Afghanistan und Burma. Bei seinem Vortrag ging er der Frage nach, ob der Islam mehr als eine Religion sei und sich als politische Bewegung oder gar Ideologie darstelle.

Derartige Einwände kämen häufig "aus der rechten Ecke", erklärte Klußmann. Im Westen ist die Trennung von Staat und Religion eine Selbstverständlichkeit. Doch: "Auch wir in Europa haben einen sehr langen Weg gehen müssen", stellte der Referent gleich zu Beginn klar. Um dies zu erläutern, holte er sehr weit aus, umriss den großen historischen Verlauf sowohl in der arabischen als auch in der westlichen Welt. Auf die rund 30 Gäste in den Räumen des AKF an der Bahnstraße stürmten Fakten um Fakten ein, beginnend mit der Geburt des Propheten Mohammed 570 n. Chr. in Mekka und der Gründung des Islams als neuer Religion. Erst im achten Jahrhundert bildet sich die Scharia aus, die Gesetzgebung des islamischen Staatswesens, die sich aus verschiedenen Quellen speiste und das Verhältnis des Muslim zu Gott und den Menschen regelt. Dies sei zu Anfang "eine unglaublich kreative Phase" gewesen, sagt Klußmann und verweist auf die großen Leistungen islamischer Künstler und Wissenschaftler im Bereich von Kunst, Kultur, Mathematik, Chemie und Medizin. "Das war eine sehr fruchtbare, offene Zeit", so der Referent, die allerdings mit dem Mongolensturm in 12./13. Jahrhundert abrupt endete. "Danach setzt sich ein strenger und orthodoxer Islam durch", erläuterte Klußmann. Erst jetzt wird auch der Begriff des "Dschihad" immer wichtiger. Dies bedeute Mühe, Kampf, Anstrengung, wobei der mit Waffengewalt ausgeführte Kampf als "kleiner Dschihad" erst an letzter Stelle stehe, so Klußmann.

Der Koran gilt weltweit als das am meisten auswendig gelernte Buch.

Der Koran gilt weltweit als das am meisten auswendig gelernte Buch.

Foto: NICOLE LEMBACH

Zeitgleich begannen in Europa die Kreuzzüge. "Beide legitimierten ihre Gewalt durch die Religion", erinnert der Referent. Während sich in Europa zu Zeiten der Renaissance der Humanismus ausbildet, der nicht mehr Gott, sondern den Menschen in den Mittelpunkt des Weltbildes stellt, bleibt im Osmanischen Reich eine derartige Entwicklung aus. Mit der amerikanischen Unabhängigkeit und der Französischen Revolution wird im Abendland die Trennung von Religion und Staat in einem säkularen Gemeinwesen vollzogen, die Grundlagen des demokratischen Staatswesens werden gelegt. Dagegen löst im Osten die kolonialistische Aufteilung des Osmanischen Reichs nach dem Ersten Weltkrieg "großen Unmut" in der muslimischen Welt aus, so der Referent. Er verwies auf die Verantwortung, die der Westen an der derzeitigen Entwicklung trage. Die Interventionspolitik des Westens, vor allem der USA, etwa in den Golfkriegen, habe die Abgrenzungshaltung noch verschärft. Und nicht zuletzt habe das aus Sicht des Referenten "katastrophale" Agieren der USA im Irak die Entstehung der Terrornetzwerke El Kaida und IS erst möglich gemacht.

Hier im Westen gelte es vor allem, den Einfluss gewaltbereiter Salafisten auf gefährdete Jugendliche einzudämmen. Auch die deutsche Beteiligung an bewaffneten Einsätzen im Orient sei ein Problem. Lebhaft gestaltete sich die anschließende Diskussion, bei der sich auch Vertreter der islamischen Gemeinde Willichs zu Wort meldeten.

(evs)
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