Bedrückende Erinnerungen „Schiefbahner schlugen alles kurz und klein“

Schiefbahn · Bildungskooperation erinnerte an die Reichspogromnacht am Schiefbahner Gymnasium. Dabei wurden auch Aufzeichnungen aus Tagebüchern vorgelesen.

Mit Teelichtern in den Händen begleiteten Besucher und Veranstalter die Kranzniederlegung am Mahnmal auf dem Gelände Gymnasiums.

Mit Teelichtern in den Händen begleiteten Besucher und Veranstalter die Kranzniederlegung am Mahnmal auf dem Gelände Gymnasiums.

Foto: Bianca Treffer

Mit einer Gedächtnisveranstaltung mit dem Titel „Gegen das Vergessen“ wurde auf dem Gelände des Schiefbahner St. Bernhard Gymnasiums an die Reichspogromnacht erinnert. 84 Jahre liegen die Geschehnisse der Reichspogromnacht zurück. Im Forum des St. Bernhard Gymnasiums bekommt nicht nur diese Nacht am 9. November 1938, sondern der gesamte Schrecken des Nationalsozialismus mit seinen Verbrechen an den jüdischen Mitmenschen wieder ein Gesicht. „Zwischen 1939 und 1945 wurden sechs Millionen Juden von den Nazis und ihren Schergen ermordet. 1,5 Millionen davon waren Kinder und Jugendliche. Ganze Familien wurden ausgelöscht“, mit diesen Worten leitet Imka Schultz vom Schiefbahner Gymnasium die Gedächtnisveranstaltung „Gegen das Vergessen“ ein.

Die Bildungskooperation, bestehend aus dem St. Bernhard Gymnasium, dem Archiv der Stadt Willich sowie den Heimat- und Geschichtsfreunden Willich, hatte zu der Veranstaltung anlässlich der Reichspogromnacht eingeladen. Ergriffene Gesichter bei den Besuchern im Forum, als Olivia, Anton, Henriette, Luise und Sascha, Schüler der Q1 und der Stufe neun, beginnen, aus den Tagebüchern jüdischer Kinder und Jugendlicher vorzulesen und Gedichte vorzutragen. Vor den Augen der Besucher, untermalt durch alte Fotografien über den Beamer, erhalten diese jüdischen, jungen Menschen, die allesamt in Konzentrationslagern starben, wieder Moment Erinnerung an ihr Leben zurück.

Mit Bernd-Dieter Röhrscheid von der Bildungskooperation, Stadtarchivar Udo Holzenthal und Imka Schultz rückt anschließend die Reichspogromnacht in Willich in den Fokus. Zerstörte Wohnungen, eingeworfene Scheiben, umgeworfene Grabsteine auf den jüdischen Friedhöfen, brennende Synagogen und auf die Straßen geworfene Einrichtungsgegenstände – der Schrecken der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wird wieder lebendig. „Die Kristallnacht habe ich mit meiner verstorbenen Mutter in Schiefbahn mitgemacht. Ich war damals 15 Jahre. Ein schreckliches Erlebnis. Darum so schrecklich, weil es Schiefbahner waren, die alles kurz und klein geschlagen haben. Leute, die meine Eltern ihr ganzes Leben kannten“, liest Röhrscheid aus dem Brief von Margit Rübsteck vor, die mit ihrer Mutter nach Holland flüchten konnte, dort versteckt wurde und den Holocaust überlebte.

Kurze Musikvorträge unterbrechen die Lesungen. „Uns plagt nicht die Schuld, sondern das Gewissen“, zitiert Björn Calmus von der evangelischen Emmausgemeinde die Worte eines Mitschülers, die er 1998 in das Gästebuch des ehemaligen Konzentrationslagers Theresienstadt schrieb. „Auch bei jedem von uns sollte sich das eigene Gewissen melden. Ein ,Nie wieder‘ ist die einzige, für mich nötige Konsequenz, ohne Wenn und Aber“, betont Calmus.

Dann geht es zur Kranzniederlegung vor dem zentralen Mahnmal auf dem Schulgelände. Ein jeder der Besucher trägt ein Teelicht in den Händen. Es ist ein schweigender Marsch vom Forum zu der von Horst Meister geschaffenen großen Edelstahlskulptur. Willichs Bürgermeister Christian Pakusch verdeutlicht mit dem Krieg in der Ukraine, wie nah neues Grauen ist. „Es ist leider die bittere Wahrheit, dass sich Geschichte wiederholt“, sagt Pakusch mit Blick auf die aktuellen Geschehnisse.

(tre)
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