Neersen Andersens gar nicht so märchenhaftes Leben

Neersen · Zur Gartenlesung gab das Festspielensemble einen einfühlsamen Blick in Andersens Leben und Werk.

 Beide Gartenlesungen im Innenhof sind ausverkauft.

Beide Gartenlesungen im Innenhof sind ausverkauft.

Foto: Wolfgang Kaiser (woka)

In der dänischen Heimat blieb Hans Christian Andersen lange Zeit die Anerkennung verwehrt, die er sich erhoffte. Das Märchen vom angeblich hässlichen Entlein, das zum prächtigen Schwan wird, mutet an wie eine Parabel auf sein Leben. Bei der Gartenlesung in der eingefriedeten Grünanlage von Schloss Neersen war die Schlusssequenz aus jenem Märchen Teil der einfühlsamen Annäherung an Leben und Werk des Dichters und Schriftstellers.

Regisseurin Christine Csar gestaltete die szenische Lesung als Lebensreise in einer Mischung von Fakten und Poesie sowie in der Balance von Wort und Musik. Der Auftakt war behutsam und zart in der Assoziation an eine träumerische Erinnerung. Zur sanften Melodie von Reinhild Köhnckes und Csars Spiel auf Flöte und Gitarre fand sich Schauspielerin Amani El Sadek im kindlichen Hüpfspiel im Garten ein. Es schien, als würde Heinz-Hermann Hoff in der Rolle des erwachsenen Schriftstellers die kleine Szene beobachten.

Gemeinsam verkörperten Hoff und El Sadek Andersen in seinem Fühlen und Denken. Sie mit jugendlicher Anmut und Entschlossenheit, er im Rückblick auf euphorische Aufbruchstimmung und Enttäuschung, in der Genugtuung über eine doch noch erfahrene Wertschätzung sowie in einer inneren Zerrissenheit. „Ja, ich bin ein seltsames Wesen …“, ließ Hoff den Dichter sagen, der Zeit seines Lebens als Sonderling galt.

Die Besucher erfuhren, wie der Sohn eines verarmten Schusters und einer Wäscherin das Theater als Lieblingsort entdeckte und sich ganze Komödien ausdachte. Vanessa Frankenbach, Sven Post und Kay Szacknys gaben die Zeitgenossen. Sie verkörperten hartherzige Lehrer aus Andersens Schulzeit, die ewigen Nörgler und Beckmesser in der herablassenden Beurteilung seines Werkes wie auch einen Teil der Volksmenge, die den schließlich international anerkannten und verehrten Dichter zur dänischen Landeshymne feiert.

Ebenso rezitierten sie aus der Auswahl von sechs Andersen-Märchen. In pointierter Lesung traf Köhncke anschaulich den satirisch-spitzen Ton zur Erzählung „Es ist wahrhaftig wahr“, die davon handelt, wie eine Geschichte beim Weitererzählen bis zur vollkommenen Unkenntlichkeit aufgebauscht wird. Köhncke ergänzte Sven Posts Lesung vom Märchen des „Vogels Phönix“ um ihr Flötenspiel, das den Vogelgesang im Wechsel von Unbeschwertheit und Schmerz einfing. Kay Szacknys betonte, dass Andersen in den Märchen seine Gegner angriff und über diese Kunstform Unsterblichkeit erlangte. So behutsam, wie die Lesung begonnen hatte, endete sie in der Darstellung von Andersens Tod. Die Besucher dankten mit herzlichem Applaus für die einfühlsame Würdigung.

Darauf folgte überraschend die Ehrung der Ensemblemitglieder Christine Csar und Heinz-Hermann Hoff. Seit bisher 20 Jahren wirken beide bei den Schlossfestspielen mit – als Ehepaar beinahe immer im Doppelpack. „Er war ein Jahr vor mir da. Dafür hat er in einem anderen Jahr hier gefehlt“, verriet Csar. In den 20 Jahren hat die Schauspielerin und Theaterfrau immer auch die Gartenlesung betreut.

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