Stadt Willich Elf weitere Steine gegen das Vergessen

Stadt Willich · In Schiefbahn werden morgen Stolpersteine verlegt, die an die jüdischen Bewohner erinnern sollen. 72 Steine sollen es am Ende in der Stadt Willich sein. Ins Leben gerufen hatten das Projekt Schüler des St.-Bernhard-Gymnasiums.

42 Stolpersteine sind bereits in Willich, Anrath und Schiefbahn in die Bürgersteigplatten gesetzt worden. Morgen kommen elf hinzu. Die Stolpersteine sollen die Vorbeigehenden daran erinnern, dass an diesen Orten einst jüdische Familien gelebt haben - die meisten von ihnen wurden in den Konzentrationslagern ermordet, denn nur wenigen Juden gelang rechtzeitig die Flucht ins Ausland. Bis Dezember 2014 wollen die Initiatoren, allen voran Bernd-Dieter Röhrscheid, und viele Schüler der beiden Willicher Gymnasien, weitere 30 Gedenksteine "Gegen das Vergessen" legen. Am morgigen Mittwoch, 4. Juni, kommen zunächst elf Stolpersteine in Schiefbahn dazu: an der Willicher Straße, der Tupsheide, der Alten Pastoratsstraße und der Hochstraße.

"Gegen das Vergessen - Stolpersteine in Willich" - unter diesem Titel begann 2011 das St.-Bernhard-Gymasium mit dem ersten Projekt, das im Laufe der Jahre auch von Schülern des Lise-Meitner-Gymnasiums in Anrath unterstützt wurde. Die etwa zehn Oberstufenschüler des St.- Bernhard-Gymnasiums, die von Anfang an dabei waren, müssen heute noch größtenteils ihre mündliche Abiturprüfungen ablegen und erfahren am Mittwoch ihre Abiturnoten. "Aber die, die können, werden morgen mit dabei sein", sagt Röhrscheid zu der neuerlichen Aktion, die am 4. Juni um 9 Uhr an der Willicher Straße 19 beginnen und gegen 11.45 Uhr an der Hochstraße 40 enden wird. Dazu werden unter anderem wieder Vertreter der beiden Kirchen und der jüdischen Gemeinde in Mönchengladbach erwartet.

Dabei sein will erneut aus den Niederlanden George van Praag, da diesmal für seine Großmutter Sophie Rübsteck und für seine Mutter Margot Hilde van Prag-Rübsteck an der Tupsheide 3 zwei Stolpersteine verlegt werden. Margot Hilde war mit ihrer Mutter 1939 die Flucht nach Holland gelungen. Sie starb dort im November 2013. Zeitzeuge Rudi Tillmanns kann sich noch gut an sie erinnern: Sie besuchte zunächst die katholische Volksschule in Schiefbahn und dann das heutige Ricarda-Huch-Gymnasium in Krefeld. Tillmanns: "Sie war ein intelligentes und hübsches Mädchen. Ich bin mit ihr zur Schule nach Krefeld gefahren." Und Margot van Praag-Rübsteck schrieb 1988 an Sandra Neffgen, eine Schülerin des St.-Bernhard-Gymnasiums: "Ich war damals, als in Schiefbahn die jüdische Synagoge brannte, 15 Jahre alt. Es war ein schreckliches Erlebnis, weil es Schiefbahner waren, die alles kurz und klein schlugen. Darunter waren Leute, die meine Eltern ihr ganzes Leben gekannt hatten ..."

Für die Großfamilie Rübsteck, nach der 2012 in Schiefbahn eine Straße benannt worden ist, wurden ebenso bereits Stolpersteine verlegt wie für die Familien Wallach und Kaufmann. Diesmal wird unter anderem an Sophie Wallach gedacht, die in ihrem Haus an der Willicher Straße 19 sechs Kinder zur Welt brachte. Sophie wurde im Alter von 89 Jahren nach Theresienstadt deportiert; sie wurde im September 1942 in Treblinka ermordet. Ihre Tochter Lina, für die ebenfalls ein Stolperstein vorgesehen ist, wurde 60 Jahre alt und in Riga getötet, ihr jüngerer Bruder Siegfried 1942 in Auschwitz.

Auch am Haus Willicher Straße 7 werden die Schüler die Kurz-Biografien der einst dort lebenden Juden verlesen. Jetzt geht es um Sara Kaufmann, die dort mit ihrem Bruder Jakob lebte, als 89-Jährige deportiert wurde und in Theresienstadt auch völlig entkräftet ums Leben kam. Für die Geschwister arbeitete damals die Hausangestellte Frau Wienands. Überliefert ist, dass die Hausangestellte der zeitlebens gelähmten Sara bis zu deren Deportation die Treue hielt, auch als sie Lebensmittelkarten mit einer erheblichen geringeren Ration als die für die deutsche Bevölkerung erhielt und die Schiefbahner Gemeindeverwaltung erheblichen Druck auf sie ausübte, diese Jüdin nicht mehr zu betreuen.

(wsc)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort