Stadt Kempen Drehorgelfest sorgt für "Berliner Luft"

Stadt Kempen · 20 Drehorgeln werden am 15. September in der Altstadt Kirmesmusik spielen. Auch dieses besondere Treffen gehört zum Programm der Muziek Biennale 2018, die der Kulturraum Niederrhein unter das Motto "Verboten" gestellt hat.

 Günter Neließen, pensionierter Lehrer am Berufskolleg, hat in Eigenarbeit vier Jahre lang an einer Drehorgel gebaut.

Günter Neließen, pensionierter Lehrer am Berufskolleg, hat in Eigenarbeit vier Jahre lang an einer Drehorgel gebaut.

Foto: WOLFGANG KAISER

Das Jubiläumsjahr - der Kulturraum Niederrhein besteht seit 25 Jahren - neige sich dem Ende zu, nicht aber die kulturelle Energie in der Region, "die das kommende Jahr mit vielen neuen Ideen und Gemeinschaftsinitiativen bereichern will", schreibt Ansgar Müller, Landrat im Kreis Wesel und Vorsitzender des Kulurraums Niederrhein, zum Jahreswechsel an die Mitglieder. Im neuen Jahr 2018 wird es wieder eine Muziek Biennale Niederrhein geben, bei der sie auch mit Konzerten in Kempen vertreten ist.

Die Muziek Biennale ist immer unter ein Motto gestellt. 2018 wird es "Verboten" heißen. Die Biennale will damit ausloten, "welches musikalische Regelwerk sich die Kulturen der Vergangenheit und Gegenwart auferlegt haben, um ihren Weltanschauungen Ausdruck zu verleihen." Gedacht wird dabei an die Kirchen als Bewahrer klassischer Ordnungssysteme und Hüter des Begriffs von "Sünde" und "Verfehlung". Weltlich-totalitäre Regimes geben auch in der Musik Direktiven, was mach- und aufführbar ist, Aber selbst westliche Kulturen mit einem ganz freiheitlichen Kunstbegriff sind einem Wechselspiel von Autonomie und Marktzwängen unterworfen. Die Programmmacher des Kulturraums versprechen mit einem "niederrheinischen Augenzwinkern" aufzuspüren, wo einst die Grenzen zwischen dem "sich Gehörendem" und "Unerhörtem" verliefen.

Ein besonderes Ereignis der Muziek Biennale wird am Samstag, 15. September, sicherlich das Drehorgelfest sein. Unter dem Titel "Verbotene Orgeln" werden sich 20 Drehorgeln mit Kirmesmusik freispielen. Von 16 bis 17.30 Uhr sind die 20 Drehorgeln überall in der Stadt zu hören. Gespielt wird Weltliches von "O sole mio" bis "Berliner Luft", so der veranstaltende Verein König-Orgel. Im vergangenen Jahr gab es schon ein Konzert mit dem Kempener Günter Neließen, der sich selber eine Drehorgel gebaut hatte. Dass Orgelmusik nicht stets langsam und getragen sein muss, werden Drehorgeln unter Beweis stellen, die allen sakralen Verboten zum Trotz weltliche Tanzmusik oder Jazz spielen werden, bis schließlich der Funke auch auf die barocke Orgel der Paterskirche überspringt, die mit verbotenen Kirmes-Klängen aufwarten wird. Christian Gössel wird dau improvisieren. In der Propsteikirche geht es dann um "Entartete Musik", also um Werke von Künstlern, die von den Nationalsozialiten verfolgt wurden. Wolfgang Kostujak moderiert, Orgel spielt Ute Gremmel-Geuchen. Geplant sind die Variationen über ein Rezitativ op. 40 für Orgel von Arnold Schönberg und Madrigale und Lieder für Chor von Paul Hindemith.

Die gesamt Muziek Biennale erstreckt sich über den Zeitraum vm 31. August bis 7. Oktober, für Kempen ist besonders der September spannend. Am 5. September ist die Gruppe Sostanagila mit dem Programm "Iran & Israel: Eine musikalische Affäre" zu erlebe. Die in Berlin lebenden Musiker suchen mit ihrem Projekt den Dialog, das Miteinander. Was unter weltpolitischen Gesichtspunkten derzeit als ein "no go" zwischen den Staaten Israel und Iran zementiert zu sein scheint, gelingt den Musikern wie geradezu selbstverständlich. Zwei Iraner, zwei Israelis und eine Deutsche erkunden Möglichkeiten einer gemeinsamen Musik. Am 2. September gibt es im Erprathshof in Tönisberg mit "Heimat" ein literarisches Scheunenkonzert mit dem Kölner Flötenensemble Flautando. Weitere Kempener Konzerte im Rahmen der Muziek Biennale gibt es am 19. September mit der Jazzorganistin Barbara Dennerlein und am 20. September mit Dominique Horwitz und dem Signum Quartett.

(RP)
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