Kapelle Klein Jerusalem Auf die Seite kommt es an
Schiefbahn/Neersen · Die Honschaft „Kapelle“ bildet die Grenze zwischen Neersen und Schiefbahn. Die Kapelle Klein Jerusalem gehört zur Gemarkung Schiefbahn – und das schon seit Jahrhunderten.
Der Neersener hört es nicht gern, den Schiefbahnern ist es teilweise unbekannt, und der ein oder andere Kapellener weiß es ganz genau: Die Kapelle Klein Jerusalem samt der auf ihrer Seite liegenden Gehöfte und Häuser ist Schiefbahn zuzuordnen. Was auf der anderen Straßenseite liegt, gehört dagegen zu Neersen.
„Immer, wenn die Kapelle Klein Jerusalem ins Spiel kommt, heißt es, sie gehöre zu Neersen. Alle nehmen das so hin, obwohl es gar nicht stimmt“, sagt Josef Mertens. Eine Tatsache, die den Schiefbahner, der sich viel mit der Geschichte seiner Heimat auseinandergesetzt hat, ein klein wenig wurmt. Auch wenn Klein Jerusalem mit dem Standort Honschaft Kapelle kirchlich der Neersener Pfarrgemeinde zugeordnet ist, so steht sie auf dem Grund und Boden von Schiefbahn.
„Das hat eine ganz lange Tradition, die auf die Kurkölnische Zeit zurückzuführen ist“, berichtet Stadtarchivar Udo Holzenthal. Seinerzeit sorgte der alte Rheinarm dafür, dass sich von Kaarst bis Oedt ein Bruchgebiet erstreckte – und zwar in einer riesigen Längsausdehnung, die auch Schiefbahn und Neersen betraf. Breit war dieses Bruchgebiet nicht. Schon in Anrath gab es fruchtbaren Boden. Dieser Unterbruch, wie das Gebiet hieß, war in den Liedbergischen und den Oedtschen Unterbruch aufgeteilt. Verlief diese Grenze einst am Klapptorhof, so verlagerte sie sich an die Landstraße zwischen Krefeld und Mönchengladbach. Damit gehörte dieser Bereich auf der einen Seite komplett zum Amt Liedberg – und damit zu Schiefbahn. „Schiefbahn war der äußerste Zipfel des Amtes Liedberg. Oedt reichte hingegen bis Neersen heran. Neersen selber war eigenständig. Dort hatten die Herren Vinhoven das Sagen. Man muss sich das ganze Gebiet wie einen Flickenteppich von Besitzrechten vorstellen“, sagt Holzenthal.
Der Bereich Hagwinkel gehörte so ebenfalls zu Schiefbahn. Dafür war das Gebiet Niederheide rund um den Straterhof Neersen zu geordnet. Das änderte sich erst 1884 bei einem Gebietstausch. Neersen und Schiefbahn tauschten diese beiden Bereiche. Wie zugetan indes die Kapellener Schiefbahn waren, zeigte sich bei der kommunalen Neugliederung 1929. Ein Vorgang, der mit heftigen Auseinandersetzungen einherging. Jede Gemeinde wollte sich vergrößern und Land sammeln. In diesem Zusammenhang erhob die Gemeinde Neersen Anspruch auf die Honschaft Kapelle als auch auf einen Teil der Honschaft Niederheide, die westlich der Eisenbahn lag.
In einer Sitzung am 20. Dezember 1928 befasste sich der Schiefbahner Gemeinderat mit dem Antrag und ließ eine Bürgerbefragung in den beiden Honschaften durchführen. Das führte zu einem erstaunlichen Ergebnis in Kapelle. Alle Bürger bis auf einen einzigen wollten Schiefbahn zugeordnet bleiben. In Niederheide sprachen sich alle für Schiefbahn aus, was sicherlich durch die räumliche Nähe zu erklären ist. Warum aber Kapelle mit einem deutlich näheren Bezug zu Neersen und der Pfarrzugehörigkeit Neersen bei Schiefbahn bleiben wollte, ist nicht erklärbar. Im Gemeindeprotokoll hieß es seinerzeit: „Trotzdem der Gemeinderat anerkennt, dass die Honschaft Kapelle durch mancherlei Fäden mit der Gemeinde Neersen verbunden ist, spricht er sich doch gegen die Abtrennung dieser Honschaft aus, weil die dortige Einwohnerschaft mit einer einzigen Ausnahme bei Schiefbahn zu bleiben wünscht.“ Auch die kommunale Neugliederung 1969/70 brachte keine Änderung. Kapelle gehört von der Gemarkung her zu Schiefbahn.
Warum Gerhard Vinhoven die Kapelle Klein Jerusalem ausgerechnet an dieser Stelle errichtete, mag damit zu tun haben, dass die Schiefbahner Scheffen ihm 1654 dieses Grundstück in der Eicker Heide schenkten. Er konnte dort die Kapelle mit Blick auf sein Geburtshaus bauen. Obwohl ihm eben diese Scheffen später Steine beim Bau der Kapelle in den Weg legten, was mit einer Steuerbefreiung durch den Erzbischof und Kurfürst Maximilian Heinrich zu tun hatte. Vinhoven bedauerte es in einem Schreiben, dass er auf liedbergischem Gebiet, das heißt auf Schiefbahner Boden, gebaut hatte und nicht auf Oedter Seite und damit Neersen zugehörig.
Doch egal, auf welcher Gemarkung die Kapelle Klein Jerusalem steht: Sie ist eine der besonderen Sehenswürdigkeiten in der Stadt Willich.