Stadt Willich Die Flugschule startet in Kürze

Stadt Willich · Ingrid Priebe ist Ersatzmutter geworden. Die Seniorin aus Willich kümmert sich um zwei Fledermausbabys. Eine Aufgabe, die für sie eine Premiere ist.

 Ingrid Priebe aus Willich zieht seit einigen Tagen zwei Fledermaus-Babys groß. Schon seit langer Zeit engagiert sie sich bei der Willicher Ortsgruppe der Naturschutzorganisation BUND.

Ingrid Priebe aus Willich zieht seit einigen Tagen zwei Fledermaus-Babys groß. Schon seit langer Zeit engagiert sie sich bei der Willicher Ortsgruppe der Naturschutzorganisation BUND.

Foto: Wolfgang Kaiser

Eigentlich ist Ingrid Priebe keine Kaffeetrinkerin. Doch das hat sich seit der vergangenen Woche geändert. Der Grund ist gerade einmal daumenlang und vier Gramm schwer. Seit einigen Tagen versorgt Priebe nämlich zwei Fledermausbabys - "und da brauche ich Kaffee als Muntermacher", berichtet die Seniorin mit einem Lächeln. Denn die kleinen Kerlchen sorgen dafür, dass daran, nachts durchzuschlafen, nicht mehr zu denken ist. Alle drei Stunden muss sie die Fledermäuse füttern.

Trockenmilchpulver, angerührt mit heißem Fencheltee und mit fünf Tropfen Kondensmilch versetzt, gilt es fertigzumachen. Das Ganze, vorab gut geschüttelt, flößt Priebe per Pipette mit einer langen Spitze in die Mini-Mäulchen. In der linken Hand das Säugetier vorsichtig haltend, ist rechts die Pipette im Einsatz. Jede der beiden Zwergfledermäuse bekommt dabei fünf Tröpfchen der Flüssigkeit. Damit ist die Arbeit aber noch nicht beendet. Um die Verdauung anzuregen, muss die Ersatzmutter danach das Bäuchlein massieren. Dafür hängen sich die Fledermäuse kopfüber an den Zeigefinger von Ingrid Priebe und werden dann behutsam über den Bauch gestreichelt. Gut 20 Minuten dauert so eine Verdauungsmassage. "Man kann richtig merken, wie sie das genießen. Sie hängen ganz still an meinem Finger. Das Ganze ist für mich selber so entspannend, dass ich einmal dabei eingenickt bin", berichtet die Fledermaus-Ersatzmutter.

Dass sie einmal diese fliegenden Säugetiere aufziehen würde, hätte Priebe, die seit Jahren der NABU-Ortsgruppe Willich angehört, nicht gedacht. Fledermäuse kannte die ehemalige Erzieherin bis dato nur aus ihrem Garten, wo die Tiere abendliche Flugrunden drehen. Dann aber kam über den NABU ein Hilferuf von der Viersener Fledermaus-Ambulanz. Die dortige Fledermaus-Fachfrau Manuela Menn schafft die Arbeit nicht mehr. Es sind aktuell einfach zu viele Fledermaus-Babys, die dort abgegeben werden.

Das Problem liegt darin, dass die Muttertiere nicht genügend Insekten zur eigenen Ernährung finden. Sie haben daher zu wenig Milch, um den Nachwuchs großzuziehen. Sie werfen die eigenen Kinder aus den Aufzuchtstätten. Tierfreunde sammeln sie ein und geben sie bei Menn ab. Die Problematik der unzureichenden Nahrung steigt dabei von Jahr zu Jahr, da die Population der Insekten stark rückläufig ist.

"Ich erhielt einen Anruf von Jack Sandrock, der die Willicher NABU-Gruppe leitet. Er fragte an, ob ich mir zutrauen würde, Fledermaus-Babys groß zu ziehen", erinnert sich Priebe. Die engagierte Naturschützerin musste nicht lange überlegen und sagte zu. Durch Menn gab es eine entsprechende Einführung in Sachen Fütterung und Haltung der Tiere. Dann zogen zwei Fledermaus-Babys, ein Junge und ein Mädchen, in einer Kunststoffbox mit entsprechender Belüftung bei Priebe ein, und das genau strukturierte Leben mit den neuen Bewohnern begann. "Wenn man den Tagesablauf genau durchplant, klappt es hervorragend mit der Fütterung alle drei Stunden. Nachts habe ich mir halt entsprechend den Wecker gestellt. Tagsüber gab es Kaffee für mich zum Muntermachen", sagt die Seniorin lächelnd.

Eine Woche mussten die beiden Fledermäuse alle drei Stunden gefüttert werden. Seit dieser Woche kann Priebe auf eine dreimalige Fütterung am Tag umstellen. Jetzt gibt es auch kein Milchgemisch mehr, sondern Mehlwürmer. Die krabbeln in einem verschlossenen Plastikbehälter mit Haferflocken als Nahrung umher. Aus der Aufzuchtbox ist indes ein leises "Klack-Klack" zu hören. Die Babys, auf Küchenkrepp unter einem Gästehandtuch sitzend, melden sich. Es ist Futterzeit. Priebe greift zum ersten Mehlwurm und schneidet ihm mit einer Schere den Kopf ab. "Die Kleinen können den Panzer noch nicht essen, sondern nur das Innenleben der Mehlwürmer", erklärt die Naturschützerin. 20 Würmer verspeist jede Fledermaus pro Mahlzeit.

Ansonsten sind die beiden in ihrer Box, die ihren Platz im Schlafzimmerregal gefunden hat, pflegeleicht. Im Rahmen der Aufzucht kommt noch eine große Aufgabe auf Priebe zu. Sie wird zur Fluglehrerin, denn der Nachwuchs muss fliegen lernen. "Laut Manuela Menn soll ich die beiden an ein Schaschlikstäbchen hängen, ein Kissen drunter packen, falls sie runterfallen, und dann starten die Flugübungen", berichtet Priebe. Wenn es soweit ist, muss allerdings der Familienkater das Übungszimmer räumen, damit kein Unglück geschieht. "Es ist einfach schön zu sehen, wie sich die Tiere entwickeln", sagt Priebe, die es nicht bereut hat, als Fledermaus-Ersatzmutter in den Dienst gegangen zu sein.

(tref)
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