Stadt Willich Die Begegnung konträrer Lebenserfahrungen

Stadt Willich · Im Gründerzentrum zeigt "Art.together" eine Dialog-Ausstellung zu Fragen über Heimat, Flucht, Weggehen und Ankommen.

 Lina Pickhardt und Shahar Fallah bei einem musikalischen Beitrag zur Kunstausstellung im Gründerzentrum im Stahlwerk Becker. Die Ausstellung kann noch bis zum 25. Januar besichtigt werden.

Lina Pickhardt und Shahar Fallah bei einem musikalischen Beitrag zur Kunstausstellung im Gründerzentrum im Stahlwerk Becker. Die Ausstellung kann noch bis zum 25. Januar besichtigt werden.

Foto: WOLFGANG KAISER

22 Künstlerpersönlichkeiten garantieren in der Regel per se Vielfalt. Zur Dialog-Ausstellung der Kunstgruppe "Art.together" im Gründerzentrum vervielfacht sich dieses Potenzial durch die Begegnung sehr unterschiedlicher Lebenserfahrungen. Willicher Künstler und Kreative mit Fluchterfahrung sowie Migrationshintergrund setzten sich mit dem Thema "Was will-ich sagen - was will-ich fragen" auseinander. Das offene Atelier an der Bahnstraße ist zurzeit ihr regelmäßiger Treffpunkt. Für die Präsentation ist ein facettenreiches Miteinander gelungen, das zur Vernissage eine große, international durchmischte Besucherschaft anlockte. Die Musikdarbietung der Willicherin Lina Pickhardt und des Syrers Shahar Fallah unterstrich den Begegnungscharakter.

Schirmherr Uwe Schummer MdB betonte die verbindende Kraft von künstlerischen Ausdrucksmitteln. Das Projekt der Kunstgruppe wird dem Kulturforum Willich angegliedert, um den Bestand zu sichern.

Die Künstlerin Beate Krempe liest in den von den Künstlern erbetenen Statements gravierende Unterschiede in der Herangehensweise. Einsehbar sind diese in ausstellungsbegleitenden Mappen. "Die Künstler, die Flucht und Vertreibung nicht aus eigenem Erleben kennen, haben viele Fragen an ihre Künstlerfreunde und Gesprächsbedarf. Diejenigen, die geflohen sind, haben die Sehnsucht, anzukommen und neu anzufangen. Sie wollen das Land hier kennenlernen, verarbeiten aber auch den Verlust", fasst Krempe zusammen. So schreibt etwa Anne Fiedler: "Meine künstlerische Annäherung findet nicht über das ´Was will ich sagen´, sondern über das ´Was will ich fragen´ statt. Was habt ihr zurückgelassen?". Nesrin Mahmoud beschränkt sich auf die bedrückende Notiz: "Die Traurigkeit mitteilen, die durch Verlust und Isolation entsteht". Die 47-jährige Architektin und Malerin aus Syrien lebt seit einem Jahr in Deutschland und zeigt drei Bilder mit Gesichtern im Gegenspiel von Gegenständlichkeit und Abstraktion. "Es sind Gesichter der Heimat", sagt die Künstlerin. Mohammad Kassar hat über Handyfotografie und Digitalprint "Impressionen von hier" mit Naturaufnahmen der hiesigen Landschaft festgehalten. In Gestaltung und Wortspiel setzt Karstjen Schüffler-Rohde unter dem Titel "Flüchtige Begegnung" auf eine behutsame Sprache. Ungemein farbenfroh, ja beinahe märchenhaft mutet eine großformatige Komposition von Waleed Ibrahim an. Dargestellt sind Frauen, entstanden aus einer gestischen Malerei von fließenden und geschwungen anmutenden Farben. Beinahe blütengleich sind Farbpunkte hingetupft. Der Künstler betont in seinem Statement, wie wichtig es ihm ist, Frauen zu unterstützen, deren Leben in islamistischen Staaten nicht leicht ist. Dabei setzt er die frohen Farben bewusst konträr zum traurigen Inhalt. Nicole von Schack-Lutz´ dreiteilige Bildreihe in Mixed-Media auf AluDibond thematisiert Traum, Hoffnung und Realität. Die Künstlerin reiht in der Darstellung unbeschwertes Spiel, den Traum von Aufbruch in einem Boot und das trostlose Meer von simplen Dächern eines Flüchtlingslagers in Jordanien. Sara Karami kam als fünfjähriges Kind iranischer Eltern nach Deutschland. Auch sie stellt Lebenswelten gegenüber: Die 35-Jährige symbolisiert den Orient über Farben in unruhig aufgebrochener Geometrie als Anspielung auf die politische Lage. Im Bild tanzender Frauen schwingt Leichtigkeit. Die junge Malerin verrät dazu "Das ist für mich die Freiheit und Gelassenheit in Deutschland".

(anw)
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