Stadt Kempen Dawson - eine Art Kulturkonstante

Stadt Kempen · Der britische Sänger und Songwriter Julian Dawson kam für zwei Abende mit dem Programm "Back in Kempen" in die Stadt. Am Wochenende hat er seine Kempener Fans und Freunde zu einem "Familientreffen" um sich versammelt.

 Julian Dawson beschreibt seine Musik als eine Mischung aus Pop, Folk, Blues und Country. Für ein Jahr lebte der Brite auch in Kempen.

Julian Dawson beschreibt seine Musik als eine Mischung aus Pop, Folk, Blues und Country. Für ein Jahr lebte der Brite auch in Kempen.

Foto: BETTINA KLAPHECK/STADT

Wenn für ein Konzert mit dem Slogan "Back in Kempen" geworben wird und der Protagonist in der Tat - und zwar gefühlt mindestens seit der Währungsreform - alle zwei Jahre in Kempen zu erleben ist, ist es wirklich kein Wunder, dass am Ende eine Mischung aus Familientreffen und ebenso romantischem wie ritualisiertem Erinnerungsabend dabei herauskommt. Schön, wenn bei derartigen Treffen dann die unsympathische Tante nicht kommt. Noch besser, wenn der Typ, der was zu erzählen hat und die alten Geschichten am besten rüberbringt, den Abend alleine gestaltet: Julian war da.

Für zwei Konzertabende hatte der 1954 in London geborene Brite Julian Dawson, der heute in Somerset wohnt, aber einst auch für ein gutes Jahr in Kempen zuhause war, also am Wochenende seine Kempener Fans und Freunde um sich versammelt; die Zahl derer, die ihn am Freitagabend (und nur von diesem Auftritt ist hier die Rede) zu einem veritablen unplugged-Konzert (reine Akustik, nichts verstärkt) im gesteckt vollen Kulturforum erstmals erlebten, war wirklich sehr überschaubar. Dawson war und ist ein guter, vom Kommerz nicht zu sehr geliebter, dafür aber umso mehr wirklich weltweit von Kollegen geschätzter und gefragter Musiker, Komponist - und vor allem ein einfühlsamer, glaubhafter Geschichtenerzähler. Was Wunder, dass die Geschichten, die der inzwischen 63-Jährige dann singend erzählt, zunehmend retroperspektiven, oft sentimentalen Charakter haben.

Er startet wie fast immer a capella, diesmal mit "World running away" vom 1988er Album "Luckiest Man In The Western World" - und auf seine tragende, den Raum füllende Stimme kann dieser Hüne von Kerl sich immer noch verlassen. Ins folgende "Fragile as China" baut er dann eine kurze Joni-Mitchell-Passage ein, als sei deren "Big Yellow Taxi" immer schon durch den Porzellanladen gerollt.

Im ersten Teil des Abends spielt und singt er allerdings hauptsächlich "Songs" (hier passt der Begriff mal) von seinem relativ aktuellen (2015) und in Nashville eingespielten Album "Living good": Dabei schafft Dawson es (unter anderem mit leichten textlichen Variationen) unaufdringlich, aktuelle Bezüge herzustellen: Aus dem wirklich wunderschönen "You're listening now", das ursprünglich für seinen gestorbenen Vater geschrieben wurde, oder aus dem ebenso anrührenden "I'm going to miss you", das seinem die elterliche Wohnung verlassenden Sohn gewidmet war, werden so respektvolle Grüße an jüngst verstorbene Musikerkollegen. Aber natürlich: Das ist sentimental. Aber eben auch authentisch - und nicht kitschig. Können nicht viele. Dawson kann. Apropos: Gitarre spielen kann er sowieso. Nicht irrwitzig spektakulär, aber selbst in technisch wirklich anspruchsvollen Parts kann er sich vor allem auf seine extrem akzentuierende rechte Hand aber sowas von verlassen. Die Harmonika kommt kurz und wirklich eindrucksvoll zum Einsatz. Auch eine Ukulele. Aber nur kurz. Gute Entscheidung.

Das Publikum bekommt - auch, um das arg Formale des Rokokosaals ein wenig zu brechen - die Chance, textlich überschaubar ambitioniert ("duh, duh, duhduhdu") mitzusingen ("Rusty old car"). Die wird genutzt.

Im zweiten Teil des Abends, den Dawson als Wunschkonzert geplant hatte, gibt es in offensichtlicher Ermangelung längerer Wunschlisten dann unter anderem Elvis ("Return to sender"), ein Stück aus der Kuriositätenkiste (Ringo Starrs "Wine, women and happy songs"), "All the king's horses" (Aretha Fanklin) und - natürlich - Beatles ("Your mother should know"). Zwischendurch erzählt Dawson Musiker-Anekdoten, Privates, zeigt gar - ganz stolzer Opa - ein Video von der Enkelin. Hier sei dann, Chronistenpflicht, der Hinweis gestattet, dass sich ein Smartphone-Display in einem mittelgroßen Saal als Medium freilich nur sehr bedingt eignet. Egal. So ist das bei Familientreffen.

Der Schluss wieder a capella: "The world keeps changing each day". Stimmt. Gut aber auch, dass auf manches Verlass ist. Julian Dawson in Kempen. Zum Beispiel.

(RP)
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