Chemnitz Komplize des Hauptverdächtigen lebte in Willich

Dresden · Der nach dem Bombenfund von Chemnitz festgenommene Terrorverdächtige hatte nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler Kontakte zur Terrororganisation IS. Sein Komplize soll bis zum Sommer in einer Flüchtlingsunterkunft in Willich gelebt haben.

 Die Niershalle wird seit 2015 als Flüchtlingsunterkunft genutzt.

Die Niershalle wird seit 2015 als Flüchtlingsunterkunft genutzt.

Foto: STADT WILLICH

Vorgehensweise und das Verhalten des Hauptverdächtigen sprächen derzeit für einen "IS-Kontext", sagte der Leiter des Landeskriminalamts Sachsen, Jörg Michaelis, in Dresden. Al-Bakr habe im Internet Recherchen zu Sprengstoff durchgeführt. "Es musste davon ausgegangen werden, dass eine Sprengstoffweste kurz vor der Fertigstellung stand oder sogar fertiggestellt war."

Al-Bakr hatte nach Angaben des sächsischen Innneministers Markus Ulbig einen Asylantrag gestellt, dem im Juli 2015 stattgegeben worden sei. Nachdem er zunächst in einer Erstaufnahmeeinrichtung in München gelebt habe, sei er danach nach Chemnitz gekommen. Auffälligkeiten habe es nicht gegeben.

Der mögliche Komplize des Hauptverdächtigen, der 33-jährige Wohnungsmieter, kam in Untersuchungshaft. Er reiste den Angaben zufolge im September 2015 in Deutschland ein und beantragte in Bad Berleburg Asyl. Ab Januar 2016 war er in der Niershalle in Willich untergebracht, die seit November 2015 als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird. Im Juli meldete er sich dann in Chemnitz an.

Die Polizei fasste den 22-jährigen Al-Bakr in einer Wohnung in Leipzig, wo zwei Landsleute ihn festhielten, wie die Polizei auf Facebook mitteilte. Er hatte am Leipziger Hauptbahnhof einen Landsmann angesprochen und gefragt haben, ob er bei ihm schlafen könne. Der Syrer lud ihn demnach zu sich ein und informierte die Polizei.

Auf Facebook teilte die Polizei mit, dass der Verdächtige "sicher identifiziert" sei. Die bundesweite und internationale Fahndung wurde aufgehoben. Über das Wochenende waren die Sicherheitsvorkehrungen an Bahnhöfen und Flughäfen verschärft worden. Die Bundesanwaltschaft führt die Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat.

Am Samstag war der Mann noch dem Zugriff in Chemnitz entkommen. Die Beamten gaben in dem Plattenbau-Viertel einen Warnschuss ab und sahen ihn auch, konnten ihn aber nicht fassen. Das Landeskriminalamt wies Vorwürfe zurück, es sei eine Panne passiert.

Wie die Generalbundesanwaltschaft berichtet, soll Al bakr am Montag in Dresden dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Dieser wird ihm den Haftbefehl eröffnen und über den Vollzug von Untersuchungshaft entscheiden.

Bereits am Sonntag war der 33-jährige syrische Staatsangehörige Khalil A. dem Haftrichter des Amtsgerichts Dresden vorgeführt worden. Dieser hatte Haftbefehl gegen den Beschuldigten Khalil A. wegen des Verdachts der Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat erlassen und in Vollzug gesetzt. Dem Beschuldigten Khalil A. wird vorgeworfen, Al bakr seine Wohnung zur Nutzung überlassen und für ihn in Kenntnis seiner Anschlagspläne die notwendigen Stoffe im Internet bestellt zu haben.

"Die Vorbereitungen in Chemnitz ähneln nach allem, was wir heute wissen, den Vorbereitungen zu den Anschlägen in Paris und Brüssel", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Montag. Es gibt bisher aber keine Hinweise darauf, dass der 22-jährige festgenommene Syrer bereits ein bestimmtes Anschlagsziel ins Auge gefasst hatte.

Im März waren in Brüssel bei einem Doppelanschlag am Flughafen und in der U-Bahn 32 Menschen ermordet und mehr als 320 verletzt worden. Bei einem Angriff der Terrormiliz IS auf die Konzerthalle "Bataclan" und andere Ziele in Paris im November vergangenen Jahres starben 130 Menschen. Bei den beiden Terroranschlägen in Deutschland in diesem Jahr - in Ansbach und Würzburg - gab es außer den Tätern keine Toten.

Die Terrorgefahr für Deutschland hat sich nach Einschätzung de Maizières mit dem Bombenfund nicht erhöht. Der CDU-Politiker sprach von einer "unverändert hohen Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus". Die Ermittlungen zeigten aber, "dass solche Taten, wie wir sie in Frankreich und Belgien gesehen haben, auch in Deutschland nicht auszuschließen sind", sagte der Minister.

Wie der Berliner "Tagesspiegel" (Dienstagausgabe) aus Sicherheitskreisen erfahren hat, bereitete Al bakr offenbar einen Sprengstoffanschlag auf einen der Berliner Flughäfen vor. Unklar sei bislang jedoch, ob der Syrer den Flughafen Tegel oder den im brandenburgischen Schönefeld im Blick hatte.

(crwo/isw/dpa)
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