Neersen Deutliche Worte an Paul Ziemiak

Neersen · Der CDU-Generalsekretär war im Neersener Ramshof zu Gast. Dort nutzten auch einige Unionsmitglieder die Gelegenheit, ihrem Ärger über die Führungsspitze in Berlin Luft zu machen.

 CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak wurde von Uwe Schummer, Sonja Fucken-Kurzawa und Christian Pakusch im Ramshof empfangen.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak wurde von Uwe Schummer, Sonja Fucken-Kurzawa und Christian Pakusch im Ramshof empfangen.

Foto: Marc Schütz

Als einen Beleg für die im Großen und Ganzen doch erfolgreiche Politik der vergangenen Jahrzehnte führte Paul Ziemiak auch das Baugebiet am Neersener Ramshof an. Dorthin hatte der heimische Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer den CDU-Generalsekretär eingeladen, um mit den Gästen (es kamen rund 60) über moderne Parteiarbeit und das Grundsatzprogramm der CDU zu diskutieren. Einige der Gäste nutzten die Gelegenheit aber auch, um ihrer Unzufriedenheit mit der Union Luft zu machen.

Heinz Amfaldern, CDU-Stadtratsmitglied, wurde nach einem kur­zen, so sicherlich schon oft gehaltenen Impulsvortrag Ziemiaks, bei dem es um die CDU, Deutschland, Europa und die Welt ging, deutlich: „In Neersen mit seinen drei Kommunalwahlkreisen hatte die CDU früher immer die absolute Mehrheit. Bei der Europawahl hatte unser Kandidat nur noch 30 Prozent der Stimmen. Wie kann das sein?“ Eine konkrete Antwort darauf hatte Ziemiak natürlich nicht, er versicherte aber, man habe das Wahlergebnis gründlich analysiert. Das Thema Klimaschutz, bei dem die Grünen eine hohe Kompetenzzuschreibung hätten, habe im Mittelpunkt des Wahlkampfes gestanden, dieser sei zudem sehr sachlich und wenig emotional geführt worden, und insgesamt gehe „die Bindungskraft verloren. Vieles ist für viele selbstverständlich geworden. Nun sind die Wähler bereit, etwas auszuprobieren.“

Ziemiak kam auch nicht darum herum, zum Rezo-Video und zur Reaktion der CDU darauf Stellung zu beziehen. Christian Pakusch, der die Diskussion leitete, fragte, ob die Antwort der Union mit einem 13-seitigen PDF-Dokument auf ein Video, in dem die CDU von einem erfolgreichen und bei jungen Leuten beliebten Youtuber angegriffen wird, die richtige Antwort gewesen sei. „Wie kriegen wir es besser hin, die junge Garde zu erreichen?“, fragte Pakusch den Generalsekretär. Der ließ durchblicken, dass die Kritik an der CDU-Reaktion zwar teilweise durchaus auch berechtigt sei, andererseits müsse man berücksichtigen, dass das Video in wochenlanger Arbeit entstanden sei. „Wie antwortet man am besten, und das schnell und ohne zu vereinfachen?“, zeigte Ziemiak das Dilemma auf. Und: „Wir sind keine Online-Partei, sondern eine Mitgliederpartei. Und dazu gehören auch Veranstaltungen wie diese hier in Neersen.“ Dennoch müsse man sich Gedanken darüber machen, wie man künftig mit solchen Situationen umgehe. Dazu werde es Schulungen und technische Ausstattung geben. Aber diskutiert werden müsse auch allgemein darüber, wie man im Netz miteinander umgehe. Das bedeute aber nicht, dass man die Meinungsfreiheit beschränken wolle, betonte Ziemiak.

Matthias Stieger, der den Ramshof leitet und seit seiner Jugend CDU-Mitglied ist, nahm kein Blatt vor den Mund und forderte deutliche Worte: „Die jungen Leute fahren ab auf einen blauhaarigen Spinner (Rezo). Die CDU-Führung muss eine klare Ansage machen und den jungen Leuten, die nicht lebensfähig sind, sagen, dass es unrealistisch ist, was sie fordern.“ Deutlichkeit wünschte sich auch Guido Paar, Friseurmeister aus Anrath. „Ich habe keine Ahnung, was die Vision unserer Regierung ist. Diese müsste deutlich formuliert werden. Man sollte die Angst beiseite schieben, und wenn es Wähler kostet, ist es halt so“, sagte Paar und erntete dafür lauten Beifall der anderen Gäste. Und bezogen auf Ziemiaks Eingangsbemerkung, was das schöne Baugebiet betrifft, sagte Paar: „Ich erarbeite mir mein Haus selbst, nicht die Politik!“

Ziemiak bat die Gäste, sich einen Friseurmeister in Polen und einen im Libanon vorzustellen, die ebenso fleißig sind wie Guido Paar. „Die Schlussfolgerung ist: Neben Arbeit und Fleiß sind auch die richtigen Rahmenbedingungen, die die Politik setzt, notwendig“, so Ziemiak. Was klar formulierte Visionen angehe, habe es die CDU schwerer als kleine Parteien, weil sie eben eine Volkspartei sei, die den Kompromiss brauche. „Der Kompromiss hält die Gesellschaft zusammen. Fragen lassen sich nicht immer mit Ja oder Nein beantworten, sondern mit sowohl als auch.“

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