Stadt Willich Babyleiche: Verwandte gaben Hinweise

Stadt Willich · Die Eltern eines Säuglings müssen sich seit Montag wegen Totschlags vor Gericht verantworten. Sie sollen den Jungen direkt nach der Geburt getötet und im Flöthbach in Anrath versenkt haben. Die beiden 20-Jährigen schwiegen am ersten Prozesstag.

Die beiden Angeklagten verdeckten gestern vor Prozessbeginn am Krefelder Landgericht ihre Gesichter.

Die beiden Angeklagten verdeckten gestern vor Prozessbeginn am Krefelder Landgericht ihre Gesichter.

Foto: Lammertz

Als die Angeklagten in den Sitzungssaal geführt werden, warten schon zahlreiche Kameras auf sie. Die 20-Jährige versteckt sich hinter einer schwarzen Kapuze und bedeckt ihr Gesicht mit einem Schal. Der Angeklagte schützt sich mit einem Block vor den Aufnahmen der Kameraleute. Als die öffentliche Verhandlung beginnt, blicken die beiden immer wieder betreten nach unten. Sie müssen sich wegen Tötung ihres neugeborenen Sohnes vor Gericht verantworten.

Schon vor der Geburt im vergangenen Jahr sollen die werdenden Eltern geplant haben, das ungewollte Kind zu töten, so die Staatsanwaltschaft. Den schrecklichen Plan sollen sie dann im Sommer ausgeführt haben. Wochen später war die im Flöthbach in Anrath versenkte Babyleiche von spielenden Kindern gefunden worden.

Die Eltern der jungen Frau mit den braunen, eng am Kopf geflochtenen Zöpfen, wollen nicht im Saal bleiben. Zuvor haben beide die Aussage verweigert. Auch die Angeklagten selbst schweigen. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Einlassung erfolgt, nur nicht heute", kündigt die Anwältin der Frau an. Dem schließt sich der Verteidiger des 20-Jährigen an.

Die Staatsanwältin spricht von einem gemeinsamen Tatplan, der schon während der Schwangerschaft entstanden sei. Die jungen Leute seien überfordert gewesen, die Angeklagte zudem psychisch krank. Sie leide unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und sei zur Tatzeit vermindert schuldfähig gewesen. Die Tatzeit kann nicht einmal exakt festgestellt werden - auch wegen des "hochgradig in Fäulnis übergegangenen Leichnams", wie die Richterin aus dem Gutachten vorliest. Auch Gewissheit über Drogen-, Tabletten- oder Alkoholkonsum während der Geburt verschafft das Gutachten nicht.

Mit diesen Bildern sucht die Polizei nach Hinweisen
6 Bilder

Mit diesen Bildern sucht die Polizei nach Hinweisen

6 Bilder

Die 20-Jährige soll in einem Badezimmer in Willich entbunden haben und den Säugling mit dem Kopf in die Toilette gesteckt haben. Später habe sie dem Kind noch Schnittverletzungen zugefügt. Der Angeklagte habe ihr auf Verlangen eine Schere und einen Müllbeutel gereicht, die Tüte mit dem Leichnam mit Spaltkeilen beschwert und im Flöthbach versenkt.

Familienmitglieder des Angeklagten waren es, die entscheidende Hinweise an die Polizei geben konnten. Der Tante des jungen Mannes fällt die Aussage vor Gericht hörbar schwer. Immer wieder gerät sie ins Stocken, die Stimme zittert, die Richterin bietet eine Pause an. Man habe in einem großen Haus in Willich zusammengelebt, berichtet die Zeugin schließlich. Das junge Paar lebte bei den Großeltern des Angeklagten, die Tante lebte mit ihrem Mann im selben Haus. Obwohl die Angeklagten oft für sich und eher zurückgezogen lebten, konnte die Schwangerschaft doch nicht ganz versteckt werden. Immer wieder habe man die Angeklagte gefragt, ob sie schwanger sei, so die Zeugin. Der Babybauch sei deutlich zu sehen gewesen, dennoch habe die Frau immer wieder abgestritten, schwanger zu sein. "Irgendwann war der Bauch auf einmal nicht mehr da", sagt die Zeugin. Weil bekannt war, dass die Angeklagte rauchte und Alkohol trank, habe sie geglaubt, dass das Kind an den Folgen der ungesunden Lebensweise gestorben ist. Wochen später, als der schreckliche Fund bekannt wurde, habe sich die Familie zusammengesetzt und entschieden, zur Polizei zu gehen. Zu dem Zeitpunkt lebten die Angeklagten schon nicht mehr in Willich. "An so etwas hätte ich in meinem Leben nie gedacht", sagt die gelernte Krankenschwester.

Laut Gutachten besteht kein Zweifel daran, dass die Angeklagten die Eltern sind. Für beide sind Vertreter der Jugendgerichtshilfe geladen. Sie müssen dem Gericht eine Entscheidungshilfe geben, ob die Tat im Falle einer Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht geahndet wird. Damit läge die Höchststrafe bei zehn Jahren. Eine Gutachterin wird außerdem Ausführungen zur Krankheit und Schuldfähigkeit der Angeklagten machen.

(bil)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort