Wesel Zitternde Knie im Todesrad

Wesel · Einmal als Artist in der Manege stehen, diesen Wunsch erfüllte der Circus Flic Flac jetzt drei wagemutigen RP-Nachwuchsakrobaten. Gemeinsam mit den Profis erlebten sie Nervenkitzel pur in luftiger Höhe.

Die Trommelschläge der argentinischen Feuerteufel lassen das Herz immer schneller schlagen. Die Bola-Kugeln knattern unaufhörlich auf die große Metallplatte inmitten der Zirkusmanege an der Rheinpromenade. Im schwarz-gelben Viermastzelt hat der Circus Flic Flac Wagemutige zum Training eingeladen.

Zum Aufwärmen heizen die Artisten der "Los Diablos del Fuego" mit lateinamerikanischen Temperament den drei RP-Nachwuchsakrobaten Cathrin Waldenberger, Hannah Ziehm und Julia Nakötter ein. Die Bola-Kugeln, ursprünglich eine Wurfwaffe der argentinischen Gauchos zum Einfangen von Rindern, schlagen im Sekundentakt auf den dunklen Bühnenboden.

"Rhythmus, Gefühl und Geschick sind gefragt", erklärt Artistin Silvia Drazek, während sie das Seil, an dessen Ende eine Bola-Kugel befestigt ist, seitlich von ihrem Körper kreisen lässt. "Du musst das Handgelenk rollen, sonst wird es schwer", lautet ihre Anweisung. Was einfach aussieht, ist für Hannah Ziehm Schwerstarbeit. Das Seil liegt unhandlich zwischen den Fingern, rutscht bei jeder Handbewegung weg. "Den Arm nicht anwinkeln, locker lassen und immer auf die Kugel achten", ruft Silvia Drazek der Nachwuchsakrobatin zu. Zaghaft, fast in Zeitlupe, donnert die Bola-Kugel von Hannah auf die Metallplatte — geschafft.

Schwindelfrei unter der Kuppel

Die Gesetze der Schwerkraft hebeln Miroslav Toskov und Nicolay Dobrovolov mit der Hilfe ihrer Muskelkraft aus. Die beiden Bulgaren hängen an so genannten Strapatenseilen, formen hoch oben in der Zirkuskuppel atemberaubende Körperskulpturen. Einen Sicherheitsgurt haben Miroslav und Nicolay dabei nicht — dafür die Nachwuchsakrobaten. Per Seilwinde dürfen sie erleben, welchen Blick die Artisten während der Show haben.

Zurück auf der Erde schieben die Bulgaren die engen Schlaufen der elastischen Seile über die Finger von Cathrin Waldenberger. Kurzer Augenkontakt, dann drücken Miroslav und Nicolay zu. Cathrins Beine fliegen in die Luft, ihr Kopf hängt über dem Boden. Das Zirkuszelt scheint sich zu drehen. Schwindelfrei muss die angehende Seil-Akrobatin sein — auch wenn Cathrin sich nur Zentimeter über dem Bühnenboden um ihre eigene Achse dreht.

Schwerelos im Schritttempo

Nun wird mir selbst ganz anders. Ein merkwürdiges Konstrukt wird in die Manege geschoben: das Todesrad. Es ist das Spezialgebiet von William Patino und Alejandro Vanegas. Zwei Räder sind miteinander verbunden und drehen sich durch das Laufen der Akrobaten um die eigenen Achse. William und Alejandro erinnern an Hamster, als sie in den Rädern laufen und dadurch die Maschinerie in immer schnellere Rotation versetzen — nur dass es bei ihnen athletisch wirkt und ganz leicht.

"Balance, Konzentration, Risikobereitschaft" brauche es im Todesrad. "Und viel Training", erklärt mir Alejandro. Bei den Vorstellungen erreicht das Todesrad eine Höhe von 14 Metern — jetzt sind es am höchsten Punkt nur sechs Meter. Anfängern wird empfohlen, im Schritttempo zu laufen. Alejandro gurtet mich fest.

Jetzt werde ich zum Hamster. Mit zitternden Kien stapfe ich tapfer los, falle fast um, stütze mich mit den Händen ab. Das Rad bewegt sich. Ich steige hoch. Ganz oben sehe ich, wie die Zuschauerreihen auf mich zukommen. Ein Gefühl von Schwerelosigkeit macht sich in meinem Bauch breit: Ich fliege!

(RP)
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