Debatte über Abfallsystem in Hamminkeln „Ein teureres System gibt es nicht“

Hamminkeln · Bei einer digitalen Debatte der CDU empfahl der Experte Michael Wieczorek den Abschied vom Hamminkelner Müllwiegesystem. Es biete Fehlanreize und sei sehr teuer. Die Biotonne könne eine Alternative sein.

 Ein Mitarbeiter einer Entsorgungsfirma vor Tausenden abschließbaren Mülltonnen.  Foto: dpa

Ein Mitarbeiter einer Entsorgungsfirma vor Tausenden abschließbaren Mülltonnen. Foto: dpa

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„Weiterhin bewegt das Thema Müll die Gemüter in der Stadt Hamminkeln“, hat die CDU festgestellt. Es geht um die Neuausschreibung des Abfallentsorgungsvertrages zum 1. Januar 2023 und damit die Frage, ob es beim Hamminkelner Wiegesystem bleiben soll. Allein in Deutschland bestehen über 60 verschiedene Entsorgungsformen für Abfall. Die Palette reicht vom Wiegesystem wie in Hamminkeln bis hin zur All-Inklusive-Entsorgung mit vielen verschiedenen Tonnen für unterschiedliche Müllfraktionen.

Nur eine kleine Minderheit von Kommunen, nämlich 18, nutzen das Wiegesystem, wie Experte Michael Wieczorek aus Iserlohn am Montag in einer Online-Debatte der CDU sagte. Er riet aus seinen Erfahrungen und Vergleichen, Abschied vom System zu nehmen. Die gelbe Tonne biete gute Müllqualität und sei wirksamer, um Leichtverpackungen und ähnliches abzufahren.

Mit der von der CDU als „Fachgespräch“ betitelten Onlinedebatte zum Thema „Abfallentsorgung in Deutschland“ wurden interessante Einblicke in die Verfahren der Entsorgungsbranche gegeben. Vor allem Parteimitglieder, aber auch Gäste wie Ulrich Streich von den FWI und lange Betriebsleiter des Weseler Entsorgers ASG, nahmen daran teil.

Michael Wieczorek ist Geschäftsführer des Abfallentsorgers Lobbe GmbH und Landesvorsitzender des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgung-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE), er beurteilte aus seiner fachlichen Sicht und mit Hilfe ihm übermittelter Daten die Situation in Hamminkeln.

Unter der Debattenleitung von Marcel Opladen (CDU) verwies Wieczorek zuerst auf die politische Konkurrenz der CDU, nämlich die FWI. Die liege mit ihren Vorstellungen „gar nicht so falsch“. Bei den Müllmengen ist dem Fachmann aufgefallen, dass die Hausmüll- und Sperrgutmengen „deutlich“ unter den üblichen Vergleichswerten liegen. Die Menge der Leichtverpackungen sei sehr hoch, deute daher eher „in Richtung gelber Sack oder gelbe Tonne“.

Ein Wert, der auffalle, sei der Baum- und Strauchschnitt mit 176,9 Kilogramm pro Jahr und Einwohner. „Damit holen Sie die Goldmedaille in NRW“, so der Kenner der Branche. Solch einen Wert habe er bundesweit noch nie gesehen, darin müsse auch die Menge öffentlichen Grünschnitts berechnet sein.

Aus Wieczoreks Sicht bietet das Wiegesystem einen Fehlanreiz, es sei klar, dass genutzt werde, wenn mit weniger Restmüll geringeren Gebühren anfallen würden. Eben wegen der Fehlanreize sei es besser, das System zu ändern. Ratsmitglied Alfred Nelz meinte, die „Zahlen sind erschreckend und Änderungen sind zwingend erforderlich“.

So hart ging Wilhelm Kloppert nicht mit dem aktuellen System ins Gericht. Die Einführung des Wiegesystems sei im Zusammenhang mit der damals neuen Müllverbrennungsanlage Asdonkshof zu sehen, der Bürger sei über „Jahre in Millionenhöhe entlastet worden“. Asdonkshof sei aber längst abgeschrieben, man müsse nun über das System neu reden – und schnell Zahlen auf den Tisch bekommen.

Wieczorek sagte, ein „teureres System als das Wiegesystem gibt es nicht“, weshalb für ihn die Einführung der Biotonne eine bessere Variante ist. „Die müssen Sie im Sommer aber wöchentlich abfahren und für saubere Tonnen sorgen, sonst stinkt’s“. Eigenkompostierung hielt er hoch und riet, bloß „nicht jubelnd Richtung Biotonne zu laufen“.

Ulrich Streich reicherte die Debatte um einige Fakten an. Man könnte 1000 von zurzeit 10.000 Müllgefäßen einsparen. 2019 seien 700 Behälter das ganze Jahr über nicht zur Abfuhr herausgestellt worden – wegen fehlenden Mülls. „Ich frage mich, wo der Abfall geblieben ist“, sagte er. Die Gerechtigkeitsfrage stelle sich zum Beispiel beim Grünschnitt, der die Müllgebühr auch für Leute verteuert, die keinen Garten haben.

Den Auftakt der Informationsoffensive zur Abfallentsorgung bewerteten CDU-Fraktionschef Johannes Bauhaus und CDU-Vorsitzender Norbert Neß, der online nicht teilnehmen konnte, im Vorfeld so: „Wir freuen uns, dass wir mit einem hochkarätigen Fachmann diskutieren können.“

Informationen Die Reihe geht weiter: Ein Debattentermin mit Entsorgungs-Experten der CDU-Kreistagsfraktion Wesel findet statt am Montag, 14. Juni, 18 Uhr.

(thh)
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