Wesel Westerkamps letzter Tag auf dem Kornmarkt

Wesel · Dekoratives, Zartes und Blühendes war 42 Jahre lang ihr Geschäft: Irmgard und Bernhard Westerkamp hatten am Kornmarkt gleich hinter der Pizzeria ihren Blumenstand. Am Samstag war Zapfenstreich. Nachdem die letzten Töpfchen mit Alpenveilchen und die Christrosen verkauft waren, holte Bernhard Westerkamp (71) zum letzten Mal seine Frau (65) und den rollenden Marktstand heim nach Mehrhoog.

 Abschied vom Kornmarkt: Irmgard und Bernhard Westerkamp brachten zum letzten Mal ihren Blumenstand zurück nach Mehrhoog.

Abschied vom Kornmarkt: Irmgard und Bernhard Westerkamp brachten zum letzten Mal ihren Blumenstand zurück nach Mehrhoog.

Foto: Jürgen bosmann

Wo sich die eine Tür schloss, geht eine andere auf: Nun kehrt für beide der Ruhestand ein. Bernhard ist schon seit sechs Jahren in Rente. Doch nun spürt auch Irmgard alle Knochen und sie ist dazu noch zuckerkrank.

Sie gibt freimütig zu, wie gern sie hier am Markt ihre hübschen Gewächse feilbot. Das tut nun schon weh, dieser letzte Abschied. Dabei hatte sie sich 1970 gescheut, öffentlich auf dem Markt zu verkaufen und den ganzen Morgen zu stehen, Woche für Woche, mittwochs und samstags, vom frühen Morgen bis zum Mittag. Doch es war immer viel los und das machte Spaß. Bei aller Wehmut weiß die Blumenhändlerin, dass es an der Zeit ist, aufzuhören. "Wir wollen noch ein bisschen was vom Leben haben!" Langeweile wird kaum einkehren. Das Paar hat acht Enkel.

Ihre Gärtnerei in Mehrhoog haben sie verkauft, als Bernhard vor sechs Jahren, zu 70 Prozent behindert, als erster in Rente ging. Pflänzchen an ihrem Stand stammten von nun an aus dem Großhandel. Orchideen sind lange nicht mehr dabei. Für die interessiert sich niemand mehr. Überhaupt verkauften sich Blumen zuletzt nicht mehr so gut wie in den ersten Jahren. Allein das Geld aus dem Umsatz von Allerheiligen hatte früher für den ganzen Winter gereicht. Da lohnte sich schwere Arbeit in der Gärtnerei. "Aber heute bietet ja jedes Lebensmittelgeschäft Blumen an", sagt Irmgard Westerkamp.

Von morgens um fünf bis abends um zehn schuftete Irmgard, als sie noch die Gärtnerei hatte. Gleichzeitig zog sie vier Kinder groß, von denen zwei nun beruflich mit Blumen zu tun haben. Die magere Rente wird so eben reichen. "Renten aus der Landwirtschaft sind klein!", sagt Irmgard. Doch sie schaut optimistisch voraus, wird ein wenig bei einer Bekannten in Flüren im Geschäft mithelfen — für ein Taschengeld. Am letzten Arbeitstag aber war die Freude groß: Die Familie kam mit den Kindern zum Weihnachtsbesuch. Das Wohnzimmer allerdings blieb abgeschlossen: Da halten Westerkamps auf Tradition. Die Tür öffnete sich erst Heiligabend.

(age)
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