Himmel & Erde Trump und die Bibel

Das Foto selbst ist schon befremdlich: Vor der Kirche, dem Weißen Haus in Washington gegenüber, posiert der US-Präsident und hält demonstrativ eine Bibel in die Kamera. Die Geschichte der Entstehung lässt mich nach der Verhältnismäßigkeit fragen.

 Stefan Sühling

Stefan Sühling

Foto: Fritz Schubert

Der amerikanische Präsident lässt mit Tränengas die Demonstranten vom Weg zum Portal der Kirche vertreiben – ausgerechnet Demonstranten, die für den Schutz von Minderheiten und gegen Rassenhass und Polizeigewalt eintreten, die der amerikanische Präsident als Terroristen bezeichnet, denen er militärisches Eingreifen androht. Echt empört hat mich die präsidiale Antwort auf die Journalistenfrage, ob das seine persönliche Bibel sei: Das ist eine Bibel!

Die Geschichte des Fotos mit der Bibel und das Frage-Antwort-Spiel dazu, machen für mich deutlich, die Bibel, mit allem was sie an moralischer Autorität zum Ausdruck bringt, wird hier missbraucht um die eigene, auch einseitige, Position in der innenpolitischen Auseinandersetzung zu verbessern. Die Reaktion aller christlichen Kirchen in Amerika ist eindeutig.

Gleichzeitig macht mich dieses Bild und seine Geschichte nachdenklich. Ich frage mich, ob ich auch in der Gefahr bin, demonstrativ Glaubensüberzeugungen vor mir her zu tragen – vergleichbar der Bibel, die demonstrativ in die Kamera gehalten wird – um für meine Ziele zu kämpfen. Anders gefragt: Benutze ich die Autorität von Glaubensüberzeugungen für persönliche Anliegen?

Und vom Hintergrund des Fotos ausgehend auch die Frage: Welche Rolle spielt Christ zu sein in meinem Alltag, wenn es beispielsweise um den Schutz von Minderheiten geht, gegen Gewalt und Missbrauch geht? Hat bei allen Fragen rund um den Klimawandel und die Ausbeutung von Arbeitsmigranten, die Botschaft von Gott, der Schöpfer der ganzen Welt und aller Menschen gleichermaßen ist, für mich Gewicht?

Ich denke, wenn ich die letzten Fragen ehrlich mit Ja beantworten kann, darf ich auch mit Recht den amerikanischen Präsidenten einen Heuchler nennen.

(Stefan Sühling)
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