Weselerin erinnert sich an ihre Einschlung 1962 i-Dötzchen damals und heute

Wesel · Pia Cihak ist eines von 507 Weseler Kindern, die in dieser Woche eingeschult wurden. Für ihre Oma Karin Tekstra (64) war der erste Schultag der sechsjährigen Enkelin Anlass, sich an ihre eigene Schulzeit zu erinnern – und Pia davon zu erzählen.

 Karin Tekstra erzählt Enkelin Pia von ihrer Einschulung 1962 und zeigt der Sechsjährigen ihr altes Zeugnisheft.

Karin Tekstra erzählt Enkelin Pia von ihrer Einschulung 1962 und zeigt der Sechsjährigen ihr altes Zeugnisheft.

Foto: Klaus Nikolei

Pia hat es sich gemütlich gemacht auf dem Schoß von Oma Karin. Denn die hat sie sehr lieb. Genauso wie die Oma Pia sehr gern hat. Karin Tekstra hat ein kleines Fotoalbum dabei. Und ein Heft im DIN-A-5-Format. Die leicht verblichenen Fotos zeigen die Obrighovenerin unter anderem als i-Dötzchen am ersten Schultag und bei den Hausaufgaben am Wohnzimmertisch in der Wohnung ihrer Eltern in Rheinhausen. Auf einem Bild ist Pia der Oma wie aus dem Gesicht geschnitten.

 Am 1. April vor 57 Jahren wurde Karin Tekstra (l.) in Rheinhausen eingeschult. „Ich erinnere mich gerne daran“, sagt die 64-Jährige.

Am 1. April vor 57 Jahren wurde Karin Tekstra (l.) in Rheinhausen eingeschult. „Ich erinnere mich gerne daran“, sagt die 64-Jährige.

Foto: Horst Dießner

„Wenn die Enkelin eingeschult wird, denkt man automatisch an seine eigene Schulzeit zurück. Und das tue ich gerne.“ Die gelernte und mittlerweile pensionierte Erzieherin Karin Tekstra erzählt gerne von der Zeit, als für sie der viel zitierte „Ernst des Lebens“ begonnen hat. Eine Zeit, die in ihrer Erinnerung „wirklich gut war.“ In dem kleinen Heft, das sie ihrer Enkelin zeigt, sind alle ihre Zeugnisse der Friedrich-Brücker-Schule bis Klasse 7 fein säuberlich aufbewahrt.

 Über die Schultüte, die ihre Mutter mit selbst gebastelten Schmetterlingen verziert hat, hat sich Pia besonders gefreut.

Über die Schultüte, die ihre Mutter mit selbst gebastelten Schmetterlingen verziert hat, hat sich Pia besonders gefreut.

Foto: Christian Chiak/Christian Cihak

Pia, die seit Donnerstag zur Obrighovener Gemeinschaftsgrundschule am Buttendick in die Igel-Klasse geht, nur wenige Meter von ihrem Kindergarten St. Antonius entfernt, hat den ersten Schritt ihrer Schullaufbahn vergleichsweise groß gefeiert. Nach den ersten beiden Stunden in der Schule, ging es mit ihren Eltern, Verwandten und den Paten zum Mittagessen in ein schönes Restaurant in der Stadt. Danach gab es zu Hause Kaffee und leckeren Kuchen. „Bei meiner Einschulung im Jahr 1962 haben wir zu Hause gegessen, meine Mutter hat damals gekocht – so wie immer. Aber so genau weiß ich das auch nicht mehr“, erzählt Karin Tekstra. Aber sie weiß noch, dass der 1. April vor 57 Jahren ein „sehr aufregender Tag war.“ Damals begann das neue (Kurz-)Schuljahr nicht nach den Sommerferien, sondern nach Ostern. Mit der Schultüte im Arm, die sie mit ihrer Mutter in einem Schreibwarengeschäft ausgesucht hatte – rosa mit hellblau – ging’s zum Einschulungstermin. Der Vater machte eine ganze Reihe Erinnerungsfotos. „Das war nicht selbstverständlich. Er war einer der wenigen Männer, die damals eine Kamera hatten. Fotografieren war sein Hobby.“

 Am runden Wohnzimmertisch hat Karin Tekstra als Erstklässlerin gerne ihre Hausaufgaben gemacht.

Am runden Wohnzimmertisch hat Karin Tekstra als Erstklässlerin gerne ihre Hausaufgaben gemacht.

Foto: Horst Dießner

In der Schultüte von Karin Dießner, so hieß sie als Mädchen, waren damals vor allem praktische Dinge: etwas Obst, Schokolade („Meine Lieblingssorte Ma-Mi-Nu von Lohmann – die kaufe ich heute noch, wenn ich sie im Supermarkt sehe“), ein Kleidungsstück („Ich glaube ein Pullover“), Leckmuscheln („Die habe ich geliebt“) und gehäkelte Tafellappen. „Die hat meine Oma gemacht. Wir hatten damals noch keine Hefte, sondern eine Schiefertafel. Eine Seite hatte Rechenkästchen, die andere Linien.“ Ihre erste Klassenlehrerin war eine gewisse Frau Okorn. „Die war wirklich nett, das weiß ich noch.“ Dann kam im dritten Schuljahr der junge Herr Haferbengs aus Krefeld an die Schule. „Für ihn, der dann mein Klassenlehrer wurde, haben wir eigentlich alle geschwärmt – ich auch. Denn sonst waren die Lehrer an unserer Schule alle ziemlich alt.“ Hausaufgaben hat Karin Tekstra am liebsten am runden Wohnzimmertisch gemacht. „Das fand ich so gemütlich.“ Auch wenn sie gerne an die Schulzeit zurückdenkt („Jedenfalls bis Klasse sieben, danach wurde die Volksschule aufgelöst und ich ging zur Hauptschule, wo ich meine Mittlere Reife gemacht habe“) gibt sie unumwunden zu, „dass ich keine wirklich gute Schülerin war. Ich war als Kind zu still und schüchtern.“

Da ist Pia schon ein wenig anders. Sie ist sehr lebendig und erzählt gerne. Über die von Mutter Katrin mit liebevoll gebastelten Schmetterlingen verzierte Schultüte hat sich das Mädchen sehr gefreut. Und war war drin? „Ein Glücksbringer, der jetzt an meinem Schulranzen hängt, Zopfgummis mit Schmetterlingen, Kratzbilder mit Schmetterlingen, ein Magnet, ein T-Shirt, eine Leggings und Pferdepflaster“, zählt sie auf. Toll fand sie auch das Russisch-Brot in Buchstabenform. „Das kaufe ich sonst nicht“, sagt Katrin Cihak, die kaum etwas Süßes in die Tüte gepackt hat – anders als die Mutter ihrer Mutter damals. „Das waren ja auch ganz andere Zeiten“, sagt Karin Tekstra. „Heute haben die Kinder ja fast alles.“

Auch Pias Schwester Hannah (3) hat eine Kleinigkeit bekommen. Keine Mini-Schultüte, wie es in vielen Familien üblich ist. „Hannah wusste, dass es Pias Tag ist. Wir haben ihr eine Schachtel mit Leggings, Magnet, Zopfgummi sowie Einhornpflaster mit Glitzer geschenkt.“ Oma Karin meldet sich zu Wort. „Mein Bruder bekam damals auch eine Kleinigkeit“, erinnert sie sich und zeigt auf ein Foto von damals. „Meine Eltern hatten ihm Süßigkeiten in ein Osterkörbchen gepackt.“ Pia schaut sich das Foto genau an und nickt. „So war das damals“, sagt Karin Tekstra.

Ein kleines Geschenk wird es natürlich auch für Pia geben, wenn Hannah in drei Jahren eingeschult wird. Auf diesen Tag freut sich die Oma jetzt schon. Denn es wird wieder ein willkommener Anlass sein, an die eigene Einschulung zu denken, die sich 2022 zum 60. Mal jährt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort