Nach Tod des Vaters Weseler Familie empört über Kondolenzschreiben von Zeugen Jehovas

Wesel/Hünxe · Familie Bay aus Hünxe hat nach dem Tod des Vaters ein Schreiben von einer Zeugin Jehovas erhalten. Unmissverständlich wird darin für die sektenartige Gruppierung geworben. Die Adresse hatte die Absenderin aus einer Todesanzeige.

 Brief der Zeugen Jehovas an Claudia Bay.

Brief der Zeugen Jehovas an Claudia Bay.

Foto: Sebastian Peters

Beim Blick auf den Umschlag schöpfte Familie Bay noch keinen Verdacht. Eine fremde Frau hatte geschrieben. Auf der Adresse stand die Formulierung „Trauerhaus“. Beim Lesen des Briefes reagierte Claudia Bay dann zuerst irritiert, später verärgert. Eine Frau aus Wesel, die sich als Mitglied der Zeugin Jehovas bezeichnete, bekundete in dem Schreiben ihr Beileid, um zum Ende regelrecht Werbung für den Eintritt in die sektenartige Gruppierung zu machen: „Wenn Sie mehr erfahren möchten, können Sie sich gerne an mich wenden, ansonsten werden Sie nichts mehr von mir hören“, heißt es in dem Schreiben. „Ich war entsetzt, dass man unsere Trauer so ausnutzt“, sagt Claudia Bay, die mit ihrem Mann in Hünxe-Gartrop lebt.

 Eine Passage aus dem Brief der Zeugin Jehovas an Claudia Bay.

Eine Passage aus dem Brief der Zeugin Jehovas an Claudia Bay.

Foto: Sebastian Peters

Christoph Grotepass, Mitarbeiter bei der Beratungsstelle des Vereins Sekten-Info Nordrhein-Westfalen kennt diese Missionierungs-Strategie der Zeugen Jehovas. „Rückmeldungen dieser Art bekommen wir immer wieder“, sagt der Experte. Er empfiehlt, sich nicht zu viel darüber aufzuregen und sich nicht zurückzumelden. „Es handelt sich um eine christliche Sondergemeinschaft mit einer eigenen Auslegung der Bibel. Zeugen Jehovas haben ein ausgeprägtes dualistisches Weltbild, welches die Welt in Gut und Böse einteilt. Es gibt eine klare Endzeithaltung, hohen Druck auf Aussteiger und Ausstiegswillige.“ Das würden viele Gespräche, die er mit ehemaligen und ausstiegswilligen Menschen führt, beweisen. Der Druck in der Gruppierung werde in den vergangenen Jahren sogar wieder größer.

Verärgert reagiert auch Thomas Brödenfeld, Superintendent der evangelischen Kirche in Wesel, auf die Masche mit dem Trauerbrief. Wer diesen Brief in einer so schwierigen Phase der Trauer erhalte, solle ihn schnell entsorgen, empfiehlt Brödenfeld. Er sei schon mehrfach auf solche Briefe auch aus seiner Gemeinde angesprochen worden. „Die sind ideologisch verblendet“, sagt Brödenfeld. Er glaubt, dass diese Masche bei den Zeugen Jehovas System hat. Sektenexperte Grotepass beobachtet, dass insbesondere ältere Zeugen Jehovas die Verfasser solcher Briefe sind. Sie seien vielfach nicht mehr in der Lage, auf der Straße zu stehen und den „Wachturm“ zu zeigen oder von Haustür zu Haustür zu gehen. Sie fühlten sich dann verpflichtet, stattdessen andere Menschen schriftlich zu kontaktieren.

Die Zeugen Jehovas in Wesel waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die deutsche Abteilung der Religionsgemeinschaft hat ihren Sitz in Selters im Taunus. Der dortige Sprecher teilte mit, dass man den Menschen weder Empfehlungen für solche Schreiben gebe, noch aktiv davon abrate. Das sei Sache eines jeden selbst. Claudia Bay vermutet keine wahre Anteilnahme dahinter. Sie will andere für dieses Vorgehen sensibilisieren.

(sep)
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