Wilfried Schaus-Sahm ist Erfinder der Diersfordter Acoustics-Reihe Kämpfer für Hochkultur

Diersfordt · Wilfried Schaus-Sahm hat das Traumzeit-Festival in Duisburg erfunden, stellte in Diersfordt das Sommerton-Festival auf die Beine. In abgespeckter Version hat die Acoustics-Reihe die Idee fortgesetzt – mit großem Erfolg. Er kämpft also weiter.

 Festivalmacher Wilfried Schaus-Sahm: „Ich habe nichts gegen Pop“.

Festivalmacher Wilfried Schaus-Sahm: „Ich habe nichts gegen Pop“.

Foto: Malz, Ekkehart (ema)

Das Ende bewegt ihn immer noch. Wenn Wilfried Schaus-Sahm über das von ihm einst angeschobene Traumzeit-Festival in Duisburg spricht, dann ist das immer noch eine nicht restlos verheilte Wunde. Das spürt, wer mit dem Festivalmacher spricht, der künstlerisch äußerst umtriebig ist, nicht nur Musikprogramme zusammenstellt, sondern als Maler, Grafiker, Fotograf und Lyriker tätig ist. Schaus-Sahm ist von Kunst bewegt, und er bewegt die Kunst. Dass er das Traumzeit-Festival nach internen Konflikten in der Duisburger Verwaltung im Jahr 2008 so plötzlich abgeben musste, dass aus den Konzerten unter dem Hochofen ein Popfestival wurde, das lässt ihn weiter nicht kalt. Er kämpft auf seine Art dagegen an: als umtriebiger Festivalmacher, Kämpfer für Hochkultur am Niederrhein. Das ist ihm mit seiner neuen Reihe geglückt. Ausverkaufte Konzerte der Reihe Acoustics konnte er im vergangenen Herbst vermelden. Jetzt wird er ins Programm der Muziek Biennale aufgenommen.

Mit Begriffen wie Hochkultur, die sich von einer Unterhaltungskultur abgrenzt, arbeiten heutige Kulturschaffende nicht mehr gerne. Auch Schaus-Sahm verwendet solche Begriffe nicht. Ohne Zweifel ist aber die Musik, die er für seine Festivals auswählt, etwas für ein spezielles und kulturell aufgeschlossenes Publikum. Das es dafür aber ein Publikum gibt, zeigt der Kartenvorverkauf der Acoustics. Für Wilfried Schaus-Sahm war die vergangene Reihe ein voller Erfolg. „Drei außergewöhnliche Künstler an einem außergewöhnlichen Ort. Im April hatten wir die Daten und Namen zu den Konzerten veröffentlicht und bereits Ende Mai waren sämtliche Karten vergriffen.“ Die Kosten seien durch die Ticketverkäufe nicht ganz gedeckt gewesen. Sponsoren hätten ausgeholfen, zuletzt etwa die Fasselt-Stiftung.

Bis zum vergangenen Jahr war da das erfolgreiche Sommerton-Festival, das Hochkultur im Spannungsfeld von Jazz, Klassik und Weltmusik an den Niederrhein auf das Schloss Diersfordt brachte. Ohne Fördergelder ging es dort nicht weiter: Nun folgte die Reihe Acoustics in der Diersfordter Kirche am Schloss. Eine abgespeckte Variante, die gleichwohl musikalisch das Niveau von Sommerton gehalten hat Drei Konzerte gab es in diesem Jahr: Mit Vincent Peirani kam ein französischer Jazzmusiker, Jasper van’t Hof ist eine europäische Jazzlegende aus den Niederlanden, Ferenc Snétberger aus Ungarn gilt als moderner Gitarrenpoet.

Dass Wilfried Schaus-Sahm Kontakte in die internationale Musikwelt hat, ist der bewegten Vita des Mannes zu verdanken. Nach Studium der Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte gründete Schaus-Sahm 1991 in Duisburg den Jazzmusik-Förderverein, arbeitete ab 1996 im Duisburger Kulturbüro, war als Koordinator der Akzente ebenso tätig wie für die Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA). Sein bekanntestes Festival bleibt aber die Traumzeit. 1997 wurde es erstmals veranstaltet. Schaus-Sahm holte bis zu seinem Ende als Festivalleiter Künstler wie Herbie Hancock, Cick Corea, Miriam Makeba, Juliette Greco und Ibrahim Ferrer und Ruben Gonzalez. Auch vor Indie-Pop hatte er keine Scheu – unter anderem spielte die von Portishead bekannte Beth Gibbons mit Rustin Man. „Ich habe nichts gegen Pop“, beteuert Schaus-Sahm. Seine musikalische Sozialisation seien schließlich die Beatles gewesen.

Das Festival im Landschaftspark verschaffte Duisburg mediale Präsenz, mehrere WDR-Redaktionen wirkten mit. Gleichwohl kam es zum Konflikt mit der Stadt Duisburg. Es ging auch um die Frage, wie viel Hochkultur sein darf, wie viel Auditorium man erreicht. Tim Isfort übernahm, aber auch nur kurz. Heute leitet Isfort das Jazzfestival in Moers. Und das Traumzeit-Festival hat abermals einen anderen Charakter, wendet sich nicht mehr an eine Kulturelite, sondern spricht breite Massen an. Zielgruppe sind Rockmusikfans. Bekannteste Künstler in diesem Jahr waren Kettcar und Frank Turner. Das ist weit entfernt von der musikalischen Idee, die Wilfried Schaus-Sahm einst hatte. Er hat, um den Charakter früherer Traumzeit-Festivals zu beweisen, eine Sammlung der in seiner Zeit aufgetretenen Künstler auf seine Internetseite gestellt. Solch ein Vorhaben dient letztlich auch der Selbstvergewisserung, wenngleich Schaus-Sahm beteuert, nicht mehr zu sehr hadern zu wollen.

Vor fünf Jahren schied Schaus-Sahm aus dem Dienst bei der Stadt Duisburg aus. Er blieb in der Verwaltung auch nach dem Traumzeit-Aus ein Kulturmensch, arbeitete im Museum weiter, entwickelte im Mercator-Jahr 2012 die Idee der Veranstaltungsreihe Mercator-Matineen. Seine Form der Vergangenheitsbewältigung bleibt das Machen.

Wenn Wilfried Schaus-Sahm über seine Künstler redet, dann vernimmt man die Bewunderung für die Muse. Schaus-Sahm möchte sein Publikum an der Qualität teilhaben lassen, er versteht sich ohne Zweifel auch als Missionar. Die Rokoko-Kirche in Diersfordt sei dafür ein würdiger Rahmen, sagt Schaus-Sahm, der das Areal über die Voerder Familie Patt kennenlernte. Als das Aus beim Traumzeit-Festival feststand, kam die Familie Patt auf ihn zu und fragte, ob er sich ein ähnliches Festival am Niederrhein vorstellen könne. Schaus-Sahm war begeistert.

Zunächst fanden die Konzerte in Hamminkeln-Marienthal statt, später dann in einem Zelt und auch in der Kirche am Schloss Diersfordt. Seine Begeisterung für den Ort spricht noch immer aus ihm. 100 Leute passen in das Gotteshaus. „Sie sitzen dicht an dicht mit dem Künstler, da entsteht eine innige Beziehung“, sagt Schaus-Sahm. „Man muss nicht religiös sein, um in dieser Kirche Sympathie für das geflügelte Wort von der Musik als ,einer Himmelsmacht’ zu empfinden“, schreibt er im Vorwort zum jüngsten Konzert-Begleitheft. Nicht nur die Architektur und Ästhetik sei außergewöhnlich, sondern auch die Akustik. Daher auch der Name der Konzertreihe. „Für mich war klar, dass ich nur an diesem Ort eine Fortführung von Sommerton machen will“, sagt der gebürtige Aachener, der in Duisburg-Walsum wohnt und dessen favorisiertes Fortbewegungsmittel ein englisches Klapprad ist.

Auch im nächsten Jahr wird man dieses Klapprad also in Diersfordt sehen können.

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