Polizei warnt vor Betrügern Schock-Anruf stürzt Weseler Ehepaar kurz in tiefste Verzweiflung

Wesel · 35.000 Euro wollten Betrügerinnen von einem Weseler Paar ergaunern. Eine Täterin gab sich am Telefon als Tochter aus, die einen tödlichen Unfall verursacht haben sollte. Ihre Komplizin mimte eine seriöse Polizeibeamtin.

 Die Eheleute Christel und Walter B. aus Wesel haben mehrere Tagen gebraucht, um sich von dem Schock-Anruf zu erholen.

Die Eheleute Christel und Walter B. aus Wesel haben mehrere Tagen gebraucht, um sich von dem Schock-Anruf zu erholen.

Foto: Klaus Nikolei

Noch immer kann Christel B. nicht fassen, was bislang unbekannte Täterinnen ihr und ihrem Mann Walter kürzlich angetan haben.

Am späten Vormittag des 9. Oktober klingelt bei Familie B. in Wesel das Telefon. Walter B. hebt ab und hört die tränenerstickte Stimme einer jungen, stark schluchzenden Frau. „Papa, es ist etwas Schreckliches passiert; ich habe mit dem Auto eine Frau totgefahren.“ Walter B. ist geschockt. „Claudia, bist Du das? – „Ja, Papa.“ Dann wird der Telefonhörer weitergereicht und eine vermeintliche Beamtin der Düsseldorfer Polizei spricht davon, dass die junge Frau einem Haftrichter vorgeführt werden soll und für sechs Monate in U-Haft genommen werde. Nur gegen eine Kaution in Höhe von 35.000 Euro könne man diese Zeit verkürzen. Auch wenn Walter B. durch die vermeintliche Unglücksnachricht geschockt ist, tauchen erste Zweifel auf. Er bittet die Anruferin um ihren Namen und ihre Telefonnummer, legt den Hörer kurz zur Seite, um Stift und Zettel zu holen. Als er zum Telefon zurückkehrt, ist die Leitung tot. Er legt auf, sieht in der Anrufliste eine Düsseldorfer Telefonnummer und tippt diese ein. „Diese Nummer ist nicht vergeben“, sagt eine blecherne Stimme vom Band. Allmählich dämmert es ihm und seiner Frau: Alles war nur Fake, alles nur ein böser Albtraum.

Immer wieder berichtet die Polizei in Wesel von Trickbetrügern, die sich als Enkel, Neffen oder Kinder ausgeben und vor allem ältere Leute am Telefon um Geld bitten: als Anzahlung für eine Eigentumswohnung, für ein Auto, für ein seltenes und teures Medikament. Doch der Fall der Familie B. aus Wesel ist bislang einmalig. „Das ist schon eine sehr extreme Geschichte“, bestätigt Björn Haubrok, Sprecher der Kreispolizeibehörde in Wesel. Er ist froh, dass sich die betroffene Familie vertrauensvoll an die Polizei gewandt und Anzeige gegen Unbekannt erstattet hat (siehe Infobox).

Dass Christel und Walter B. mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gehen, hat nur einen einzigen Grund: „Wir möchten andere Menschen warnen, damit sie nicht etwas Ähnliches durchmachen müssen wie wir“, sagt Christel B. im Gespräch mit unserer Redaktion. „Es hat etwa 30 Minuten gedauert, bis wir unsere Tochter in Düsseldorf telefonisch erreicht haben und wussten, dass alles gut war. Es war die schlimmste halbe Stunde in meinem ganzen Leben.“

Als sie durch ihren Mann erfuhr, dass die Tochter eine 28-jährige Radfahrerin überfahren haben sollte, brach für Christel B. eine Welt zusammen. „Ich habe nur gedacht, hoffentlich hatte die Tote keine Kinder. Wie soll unsere Tochter mit dieser Schuld leben, ist damit nicht auch unser Leben auf einen Schlag zerstört? Es war einfach schrecklich.“

Nicht viel anders ist es Walter B. ergangenen. Zumal der Versuch, die Tochter in Düsseldorf telefonisch zu erreichen, zunächst misslang. „Doch unsere jüngere Tochter hatte die Handynummer einer Mitbewohnerin, die dann erklärt hat, dass mit Claudia alles in Ordnung ist.“

Unmittelbar danach hat Walter B. zunächst bei der Polizei in Wesel und dann in Düsseldorf angerufen. „In Düsseldorf wusste man nichts von einem Unfall und hat uns geraten, in Wesel eine Anzeige zu erstatten.“ Dass er und seine Frau deutlich länger als gedacht warten mussten, um einem Beamten die Tat zu schildern, bedauert Polizeisprecher Haubrok. „Allerdings war es Freitagmittag. Da kommt es leider schon mal vor, dass alles etwas länger dauert.“

Trotz einiger Probleme loben die Eheleute B. insgesamt die Arbeit der Polizei. „Der Herr in Wesel war sehr freundlich und aufmerksam“, sagt Walter B. und sucht auf seinem Handy kurz nach einer Mail. Absender: das Polizeipräsidium Düsseldorf. Kriminalkommissar Michael Robben, der seinerzeit mit Walter B. telefoniert hatte, schreibt in der Mail unter anderem: „Sie sind eigentlich nicht die Zielgruppe solcher Betrüger. Aber es hat sich mal wieder gezeigt, dass mittels ein paar weniger Worte das Leben kurz stillstehen kann.“ Obwohl er nicht für den Bereich Wesel zuständig sei, „liegt es mir trotzdem nahe. Ich bearbeite fast täglich solche oder gleichgeartete Betrugsversuche in Düsseldorf. Die Täter suchen im Telefonbuch nach ,älter klingenden’ Vornamen und rufen diese gezielt an.“ Anschließend werde eine Geschichte erfunden, um eine Verbindung aufzubauen. „Oftmals“, so Robben, „soll Angst oder Schock erzeugt werden, was in Ihrem Fall gelang.“

Walter B. nickt. „Das kann man wohl sagen. Meine Frau konnte in den Tagen nach der Tat kaum schlafen.“ – „Jedes Mal, wenn das Telefon geklingelt hat, hatte ich schweißnasse Hände“, sagt Christel B. Mittlerweile gehe es ihr aber wieder gut.

Das Schreiben des Düsseldorfer Kommissars endet mit der Hoffnung, „dass Sie diesen Schock sehr schnell und gut verarbeitet haben und bedanke mich trotz der Aufregung für dieses sehr angenehme und ruhige Gespräch mit Ihnen.“

Übrigens: Im neuen Weseler Telefonbuch werden die Vornamen der Eheleute künftig nicht mehr zu finden sein. Dafür haben Christel und Walter B. nach diesen Erfahrungen schon gesorgt.

(kwn)
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