Walter Salas-Humara im Karo Rockmusik im Wohnzimmer-Stadion

Wesel · Walter Salas-Humara spielte im Weseler Jugendzentrum Karo. Das Publikum ließ sich sitzend mitreißen – und freut sich über „Stadion“-Rock.

 Walter Salas-Humara (2. v. r.) trat im Weseler Karo auf. Bekannt wurde er mit The Silos, auch in neuer Besetzung gefiel seine Mannschaft.

Walter Salas-Humara (2. v. r.) trat im Weseler Karo auf. Bekannt wurde er mit The Silos, auch in neuer Besetzung gefiel seine Mannschaft.

Foto: Sebastian Peters

Die Geschichte der Rockmusik ist auch eine vom immerwährenden Traum der großen Bühne, der vom euphorisierten Publikum und endlosem Beifall. Wenn Du dann abends in einem Weseler Jugendzentrum statt im Central Park von New York spielst, wenn Dein Publikum an Tischen sitzt und mancher dort Tee statt Hartgetränke zu sich nimmt, dann kannst Du als Rockstar entweder resignieren oder es machen wie Walter Salas-Humara. Der US-Songwriter, Frontmann der 80er-Indie-Band The Silos, tat in Wesel einfach so, als befände er sich in einem großen Stadion. Er rief laut in das Mikro, machte ausladende Gesten – und schien an diesem Abend große Freude an der Musik zu haben. Und das, obwohl im Publikum nur ein kleiner Bruchteil dessen saß, was ein durchschnittsamerikanisches Stadionkonzert bevölkert. Es kommt eben nicht darauf an, wo Du spielst. Es geht darum, wie Du spielst. In dieser Hinsicht sollte der Auftritt Humaras jungen Musikern ein Drehbuch gewesen sein.
Den Auftakt an diesem Abend machte der Niederländer Ad Vanderveen, dem nachgesagt wird, er sei der Neil Young Hollands. Dem Ruf wurde er mit seinem filigranen Songwriting und seinem gefühlvollen Picking nicht selten gerecht, doch Vanderveen ist mehr als ein Young-Pendant. Er kann auch Hank Williams, bisweilen erinnerte er stimmlich auch an Johnny Cash. Ein guter Auftakt.

Deutlich kraftvoller kam dann Salas-Humara daher. Der Amerikaner ist mittlerweile Stammgast im Karo. Er veröffentlicht auf Blue Rose Records – und wie viele der Künstler dort ist seine präferierte Spielart der Alternative Country. Man sollte im Netz den Song „I‘m over you“ der Silos googeln, um sich einen Eindruck von der Strahlkraft des Mannes zu machen. Das ist ein echter Countryhit, und wenn Tom Petty ihn geschrieben hätte, dann könnte ihn heute jeder mitsummen. Zwar kürte die Musikzeitschrift Rolling Stone The Silos anfangs mal zu den Newcomern des Jahres. Eine wirklich große Karriere war ihnen aber nie vergönnt. Dann macht man sich sein Stadion eben selber.

In Wesel spielte Salas-Humara viele Songs des neuen Albums „Walterio“ (Blue Rose Records), etwa den swamprockigen Opener „El Camino de oro“ (dt. „Der Goldweg“). Mitreißend sein Zusammenspiel mit Gitarrist Joe Reyes – das war stadionwürdig. Beim Song „Satellite“ gelang es Salas-Humara tatsächlich, dieses sitzende und höfliche Publikum zum Mitsingen zu animieren. Und seinen neuen Song „She‘s a caveman“ kommentierte er nachher halb lächelnd mit: „Ein Hit.“ So musiziert jemand, der den Rockzirkus im Speziellen und das Leben im Allgemeinen mit einer angemessenen Portion Ironie zu nehmen weiß. Salas-Humara schaute fröhlich aus an diesem Abend unter langer Mähne. Es schien ihm zu gefallen. Dem Publikum auch. Schöner Abend, toller Konzertort.

Man sollte öfter ins Karo gehen.

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