Pfarrer Stefan Sühling aus Wesel Nicht vom Brot allein

Wesel · In der Kolumne Himmel & Erde macht sich Stefan Sühling, leitender Pfarrer der Weseler Kirchengemeinde St. Nikolaus, Gedanken zum Thema Wasser, ohne das wir alle nicht leben könnten.

 Mariä Himmelfahrt Wesel  Stefan Sühling mit einem Teil der Baupläne von 1950

Mariä Himmelfahrt Wesel Stefan Sühling mit einem Teil der Baupläne von 1950

Foto: Fritz Schubert

Nach dem letzten Termin mache ich mich mit dem Rad auf die abendliche Tour. Sie führt am Rhein entlang, dann nördlich von Bislich zwischen den Seen nach Bergerfurth und von dort nach Wesel zurück. Nach der langen Dürrephase in April, Mai und den ersten Junitagen, wirkt die Landschaft nun, nachdem sie den Regen der vergangenen Tage buchstäblich aufsaugen konnte, ganz verwandelt auf mich. Felder und Wiesen zeigen sich wieder grün im Kontrast zum grau-beigen Bild der zurückliegenden Wochen. Auch die Pflanzen auf den Feldern scheinen irgendwie erholt zu sein. Es fehlte an Wasser – der „sehnsuchtsvoll“ erwartete Regen hat die Natur verwandelt. Diese Radtour führt überdeutlich vor Augen, was mir theoretische Selbstverständlichkeit ist: ohne Wasser kein Leben. Und: die Natur, von und in der wir leben, droht ohne Wasser zu verwüsten.

In der beginnenden Dämmerung radle ich über den Ziegeleiweg zurück Richtung zuhause. Auf dem Weg beschäftigt mich der Gedanke, dass für mich neben dem Wasser (und der weiteren Nahrung) anderes auch wichtig zum Leben ist. Gerade die nur kurz zurückliegende Zeit des Corona-Lockdown hat mir überdeutlich vor Augen geführt, wie wichtig menschliche Kontakte, eine freundschaftliche Umarmung, das offene Gespräch (ohne das die Hälfte des Gesichts durch die Maske verdeckt ist) für mich, für gelingendes Leben sind. In der Zeit des Lockdown habe ich alles das trotz der Möglichkeiten des Video-Telefonates einfach vermisst – ähnlich wie den belebenden Regen.

Die Bibel bringt es so zum Ausdruck: „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein.“

Beim Abendgebet kommt mir diese „Regenerfahrung“ wieder in den Sinn. Dankbar bin ich für all das,  was mir neben Getränken und Speisen zum Leben geschenkt ist. Und mir wird bewusst: ich bin nicht nur einfach der dankbare Beschenkte – der Besuch bei der Familie, der Anruf bei Freunden, die E-Mail oder der Brief zum Geburtstag, durch alles das kann ich zum Lebensmittel für andere werden. Denn auch sie leben nicht nur vom Brot allein.


Unser Kolumnist Stefan Sühling ist Pfarrer in St. Nikolaus in Wesel

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