Ein seltenes Jubiläum 75 Jahre Feuerwehr: „Es ist ein harter Beruf“

Wesel · Der Dienst in der Feuerwehr und seine junges Alter haben Karl Hochstrat im Zweiten Weltkrieg davor bewahrt, eingezogen zu werden. Jetzt blickt der Weseler auf ein Dreivierteljahrhundert in den Reihen der Retter zurück.

 Feuerwehrmann Karl Hochstrat (88) mit einer ganzen Sammlung von Orden, Ehrenzeichen und Präsenten in seinem Heim. Das Bild zeigt markante Bauten im alten Obrighoven/Lackhausen.

Feuerwehrmann Karl Hochstrat (88) mit einer ganzen Sammlung von Orden, Ehrenzeichen und Präsenten in seinem Heim. Das Bild zeigt markante Bauten im alten Obrighoven/Lackhausen.

Foto: Özge Kabukcu

Feuerwehrleute sind treu. Karl Hochstrat ist es ganz besonders. Seit 75 Jahren ist er Feuer und Flamme. Das ist der Weseler Wehr, die am Freitagabend zu ihrer Jahreshauptversammlung im Saal Schepers zusammenkam, eine besondere Ehrung wert. 1944 fing der Obrighovener, der im Mai 89 Jahre alt wird, an. In einer hoch gefährlichen Zeit. Was er später nicht mehr lassen konnte, war anfangs mehr eine Pflicht, als eine freiwillige Entscheidung. „Ich habe Glück gehabt“, sagt Hochstrat. Sein Vater war Mitbegründer der Feuerwehr in Obrighoven, an der RWE-Straße. So kam auch er in die Wehr. Karl Hochstrat, Jahrgang 1930, war zu jung, um in den Krieg zu müssen. Die Jahrgänge 1929 und älter wurden eingezogen. Dazu zählten Hochstrats große Brüder. „Ich war im HJ-Dienst, dass musste man zu dieser Zeit. Der HJ-Feuerwehr fehlte es an Mitgliedern. So bin ich da reingerutscht“, erzählt der Jubilar. Nach der Schulentlassung war Hochstrat bis zur Zerstörung Wesels im Februar 1945 durch die Bombenangriffe der Alliierten im Dienst.

Die komplette Zerstörung Wesels war ein einschneidendes Erlebnis für den Jungen. „Wir sind sofort mit unseren Möbeln nach Drevenack gezogen“, sagt Hochstrat, sechstes von elf Kindern. Die Großfamilie zog zu Fuß auf einen Bauernhof. Der ländlicher Ort, weit weg vom Kriegsgeschehen, bot Sicherheit. Das zurückgelassene Haus am Wackenbrucher Weg stand zwar noch, aber es war stark beschädigt. „Nach dem Rheinübergang der Alliierten sind wir zurück nach Hause gegangen.“ Und dann ging es auch wieder weiter mit der Feuerwehr. „Ich hatte teilweise von 19 Uhr bis morgens 7 Uhr Dienst und musste die Sirenen des ehemaligen Bürgermeisteramtes Obrighoven bedienen.“

Hochstrat wurde Maurer, war somit auch am Wiederaufbau Wesels beteiligt. Mehr als ein Jahr hat er in Düsseldorf, Duisburg und Köln gearbeitet und baute für die Firma Holzmann zerstörte Häuser wieder auf. Wegen eines Arbeitsunfalls wechselte er später seinen Beruf und ging zur Ruhr-Raffinerie der BP nach Hünxe. Dort war er als Kesselwärter im Schichtdienst tätig. „Ich hörte immer die Sirenen von der anderen Seite der Lippe, aber da konnte ich ja schlecht hin“, berichtet er. Dennoch war der leidenschaftliche Feuerwehrmann immer bereit, in den Einsatz zu gehen. Er hat viele erlebt. Vom Hochwasser bis zum Waldbrand. Schlimm waren sie alle. Und ganz schlimm waren Unglücke, bei denen es Tote gegeben hatte. „Jeder Einsatz nimmt einen mit. Egal wo, es entstehen immer Schäden. Auch der Schaden in der Natur tut einem weh. Es ist ein echt harter Beruf.“ Dass dieser Beruf nicht mehr genug gewürdigt wird, bedauert der Feuerwehr-Veteran sehr. „Die Einsätze sind riskant, aber in dem Moment achtet man nicht auf sich, Man ist Feuer und Flamme und möchte nur helfen.“ Es gab keinen Tag, an dem Hochstrat keine Lust hatte. Wie ein Hobby, nur mit mehr Verantwortung, beschreibt er. Ab und zu geht er zu Feuerwehr-Veranstaltungen. „Aus der damaligen Zeit sind leider keine Kameraden mehr da“, bedauert er. „Das war ein unglaubliches Gefühl der Gemeinschaft. Die Kameradschaft war spitze. Aber die sind nun alle verstorben.“ Stolz erzählt er von seinen zwei Neffen und einer Enkelin, die heute in der Freiwilligen Feuerwehr sind. Inzwischen hat der 88-Jährige eine viele Orden und Ehrenzeichen gesammelt. Jetzt kommt wieder was dazu.

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