Interview Matthias Schüller „Konzerte sollen ein Leuchtsignal sein“

Wesel · Seit 20 Jahren gibt es am Herzogenring das Jugendzentrum Karo. Von Anfang an war es auch ein Ort der Rockmusik. Im Interview erzählt Leiter Matthias Schüller, wie die Musik in sein Haus kam.

 Matthias Schüller leitet das Karo, heute tritt zum 20-Jährigen Tim Vantol auf, morgen gibt es einen offiziellen Tag der offenen Tür. Dann kommt auch die Bürgermeisterin.

Matthias Schüller leitet das Karo, heute tritt zum 20-Jährigen Tim Vantol auf, morgen gibt es einen offiziellen Tag der offenen Tür. Dann kommt auch die Bürgermeisterin.

Foto: Sebastian Peters

Matthias Schüller ist der Mann, der seit zwei Jahrzehnten Rockmusik nach Wesel holt. Er leitet das Jugendzentrum Karo, in dem in guter Regelmäßigkeit Konzerte stattfinden, die das Stadtleben bereichern. Im Interview blickt er auf 20 Jahre zurück – und erzählt auch, warum er ans Aufhören nicht denkt.

Herr Schüller, man sagt eigentlich, die Rockmusik sei derzeit klinisch tot. Die Jugend steht heute auf Hip-Hop und elektronische Musik. Warum holen Sie dennoch immer wieder Rockbands in das Jugendzentrum Karo?

Matthias Schüller Die Konzerte haben hier Tradition, sie liegen mir sehr am Herzen. Das heißt aber gerade eben nicht, dass wir die Jugendlichen nicht ansprechen. Es gibt auch bei Rockkonzerten immer wieder junge Zuhörer, manche von ihnen haben sogar selbst den Weg zur Rockmusik über die Konzerte gefunden, haben selbst Bands gegründet. Natürlich gibt es hier auch Hip-Hop-Veranstaltungen. In erster Linie sind wir Jugendzentrum, wollen für die Jugendlichen hier da sein. Bis auf die Zeit zwischen den Jahren haben wir jeden Tag auf. Außer eben an Konzertabenden. Aber selbst da können die Jugendlichen ja kommen. Solche Öffnungszeiten kann kaum ein Jugendzentrum bieten. Und die traditionellen Montagskonzerte sind sogar ohne Eintritt. Da geht nachher der Hut rum, das lohnt sich sogar für die Künstler oft mehr als ein fester Eintrittspreis.

Wie kam es dazu, dass Sie Bands ins Karo holten?

Schüller Uns gibt es in diesem Jahr seit 20 Jahren, kurz nach der Gründung des Karo an diesem Ort hier kam ich aus Köln-Kalk nach Wesel. In Köln arbeitete ich damals im Bürgerhaus, damals ein sehr großer Veranstaltungsort. Ich habe dort das Konzertprogramm organisiert. Damals hatten wir große Bands wie zum Beispiel Calexico zu Gast. Diese Verbindungen aus der Kölner Zeit halfen mir in Wesel, wo ich schnell merkte: Die Leute kommen gerne, sie kommen zahlreich. Ich war damals 39 Jahre alt. Von Anfang an war in Wesel mein Ziel, junge Leute mit diesen Konzerten auch an die Musik heranzuführen.

Wie ist das gelungen, wie hat sich die Weseler Szene dadurch entwickelt?

Schüller Ich glaube, das wir mit dem Karo einiges haben bewirken können. Viele der Leute aus dem Umfeld des Esel-Rock sind hier musikalisch sozialisiert und für Konzerte begeistert worden. Das Team macht jetzt sein eigenes Ding, aber es gibt eben diese engen Verbindungen. Noch vor zehn Jahren hatte Wesel eine große Rockmusikszene, viele junge Bands von Metal bis Rock. Aber Rockmusik ist derzeit nicht angesagt. Entsprechend ist die Szene derzeit nicht so vital. Das kommt wieder. Rockmusik wird nicht sterben. Es gibt immer noch junge Leute, die wir für diese Musik begeistern können. Im Vorprogramm der Münchener Band Blackout Problems, die in Kürze hier auftreten wird, spielen junge Weseler Musiker der Band „Nine“, die sind alle erst zwölf bis dreizehn Jahre alt und freuen sich sehr, vor so einem großen Publikum zu spielen.

Eine enge Verbindung gibt es zum Kultlabel Glitterhouse Music. Wie kam es zu dieser Verbindung?

Schüller Die Glitterhouse-Leute kannte ich noch aus meiner Kölner Zeit. In der Tat haben viele Bands aus diesem Umfeld hier gespielt. Unter anderem waren Sixteen Horsepower hier, eine der größten Bluesrock-Bands dieser Zeit. Das war rasend schnell ausverkauft. Das erste Konzert überhaupt war ebenfalls das eines Glitterhouse-Künstlers: Terry Lee Hale von Hardpan. Wichtig ist mir, dass wir Konzerte sowohl für die 16-Jährigen als auch für die Generation 60 plus bieten. Wenn es dann gelingt, dass bei einem Konzert viele Altersklassen vertreten sind, dann macht es mir am meisten Spaß. Das hier soll nämlich ein Ort der Begegnung sein.

Woher kommen die Zuschauer: Bekommt man den Raum hier allein mit Weseler Publikum gefüllt?

Schüller Wir haben ein Weseler Stammpublikum, aber es gibt durchaus immer wieder Besucher aus dem weiteren Umfeld, aus Köln, Frankfurt, Düsseldorf, Dortmund. Wir haben manchmal Künstler hier, die ansonsten nur in großen Städten auftreten. Das spricht sich rum. Vor wenigen Tagen hatten wir die australische Band The Black Sorrows zu Gast. In Australien sind das Stars, bei uns kennt man sie kaum. Es war ein tolles Konzert. Zwei der Gäste waren mit dem Rad aus Düsseldorf gekommen. Sie übernachteten im Welcome-Hotel, fuhren am nächsten Tag mit dem Rad zurück. Letztes Jahr hatten wir Leute, die aus Spanien kamen. Das Karo ist auf diese Art auch ein Magnet für ein bestimmtes Publikum.

Als Veranstalter von Rockkonzerten läuft man immer Gefahr, zu wenige Zuschauer anzusprechen.

Schüller Das haben wir gut im Griff. Wir achten darauf, dass die Künstler eine akzeptable Gage verlangen. Wir bekommen den Saal oft gut gefüllt. Vor einem Jahr hatten wir den Songwriter Chuck Prophet zu Gast. Er spielte hier vor 180 Leuten, nachdem sein Album im Rolling Stone groß gefeiert worden war. In Wesel war der Saal voll, in Berlin waren weit weniger Menschen dort. Bei Tourmanagern spricht sich so etwas rum.

Gibt es eine Hausband? Besondere Lieblinge des Karo?

Schüller Da muss man natürlich die Band The Great Crusades aus Chicago nennen. Die haben schon zehn Mal hier gespielt, das sind mittlerweile Freunde unseres Hauses. Zum Zehnjährigen vor zehn Jahren sind sie extra über den Teich geflogen, haben rund um ihr Weseler Konzert eine kleine Tour geplant. In diesem Jahr gelang das leider nicht, weil die Musiker Familien haben, derzeit ein neues Album aufnehmen. Ohne Zweifel besteht zu den Great Crusades die engste Verbindung. Sie haben ja auch im vergangenen Jahr beim Eselrock gespielt.

Was macht für Sie die Magie dieses Konzertortes hier aus?

Schüller Das Haus hat eine lange Geschichte, das spürt man. Es ist 110 Jahre alt, eine reiche Familie hat es der Kirche überlassen. Eine Zeitlang sind hier Diakonissinen ausgebildet worden, ein Pfarrer hat hier gelebt, im Krieg war es Notkirche, später Gemeindezentrum, dann Schulraum des Mädchengymnasiums, später AVG, dann Teil der Realschule. Das Karo in dieser Form an diesem Ort gibt es seit 20 Jahren. Und noch immer ist es ein Ort der Begegnung.

In Wesel gibt es viele Konzertstätten. Vereinzelt ist von Kulturveranstaltern die Klage zu hören, dass sich die Veranstalter gegenseitig das Publikum stehlen. Sie selbst haben die Konkurrenz zum Scala.

Schüller Ich finde es großartig, dass es das Scala gibt. Ich sehe darin auch keine Konkurrenz. Wir machen ja nur 15 Konzerte im Jahr, das Scala bietet eine ganz andere Vielfalt. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass jede Kulturveranstaltung die Stadt bereichert. Wenn Kultur Wüste ist, dann passiert nichts. Je mehr Kulturveranstaltungen es gibt, desto interessierter werden die Leute. Das hat man ja gerade eben bei der Kulturnacht wieder gesehen. Es war toll, wie viel da los war in Wesel.

Spüren Sie die Rückendeckung der Politik?

Schüller Politik und Verwaltung haben immer hinter dem Haus gestanden, dafür bin ich dankbar. Natürlich muss man sich immer mal wieder rechtfertigen und Prozesse offenlegen, aber das ist völlig in Ordnung. Das muss so sein.

Gibt es einen Künstler, bei dem Sie sagen: Wenn ich den geholt habe, dann kann ich aufhören. Denken Sie an so etwas?

Schüller Ehrlich gesagt, eigentlich denke ich nicht ans Aufhören. Der Zuspruch des Publikums ist gut, wir werden das weitermachen. Die Konzerte sollen ein Leuchtsignal sein. Sie sollen auf andere Art darauf aufmerksam machen, welche Arbeit wir hier aufwenden. So wird das Karo noch einmal auf andere Art in der Stadt wahrgenommen als nur als Jugendzentrum.

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