Herr Babilas, Altana und die Weseler Tochter Byk-Chemie haben erneut gute Zahlen vorgelegt. Welche Bedeutung hat Wesel für Altana, was sind die Perspektiven für den Standort?
Interview Martin Babilas (Altana) „Innovationen steuerlich begünstigen“
Wesel · Altana-Vorstandschef Martin Babilas spricht über die Entwicklung des Chemie-Konzerns in Wesel.
Martin Babilas Wesel ist unsere weltweite Zentrale. Hier schlägt das Herz unseres Unternehmens. Im August haben wir bei Altana und Byk den insgesamt 1000. Mitarbeiter am Standort begrüßt – eine Kollegin im Fachbereich Patente. Wesel bleibt der größte Produktionsstandort für Additive weltweit. Wir haben erheblich in den Standort Wesel investiert, allein im vergangenen Jahr rund 15 Millionen Euro. Drei Millionen Euro davon flossen in die Modernisierung des Forschungsgebäudes A3. Baulich sind wir hier jetzt auf einem Top-Niveau. Hinzu kommt unser neues Verwaltungsgebäude, in dem IT-Kräfte mit anderen Abteilungen vernetzt arbeiten werden. Alles wird offener und transparenter.
Was versprechen Sie sich davon? Weiß man, dass diese Arbeitsweise funktioniert? Großraumbüros sind nicht immer ein Segen. Es herrscht ein Kommen und Gehen.
Babilas Die Mitarbeiter, die dort arbeiten werden, freuen sich auf neue Arbeitswelten. Zum Jahresende wollen wir dort starten. Der Bau ermöglicht eine Zusammenarbeit in verschiedenen Konstellationen, wir werden damit Neuland betreten. Das hat auch Pilotcharakter für unsere anderen Standorte. Man muss sehen: Die Art, wie wir arbeiten, hat sich weiterentwickelt, wir arbeiten interdisziplinärer, in wechselnden Teams. Die Räumlichkeiten wollen wir diesem Prozess nun anpassen. Das können die klassischen Büros immer weniger leisten.
Das bedeutet aber auch, dass mehr noch als in geschlossenen Büros jederzeit der Chef überraschend vorbeischauen kann.
Babilas Das kann passieren. Aber meine Mitarbeiter wissen auch, dass sie jederzeit zu mir kommen können. Wir haben den Anspruch, die Kommunikation offen zu gestalten. Auch Führungskräfte werden als Teil des Teams in der neuen Umgebung arbeiten. Offenheit und Transparenz wollen wir auf allen Ebenen vorleben.
Muss man als Unternehmenschef warnen? Was wird aus dem Industriestandort Deutschland?
Babilas Man kann in Deutschland immer noch sehr gut wirtschaften, wir dürfen aber die Grundlagen für unseren industriellen Wohlstand nicht verlieren. Dazu zählt auch ein gutes und einfaches Steuersystem. Altana versteuert nach wie vor über 50 Prozent des Gewinns in Deutschland. Aber Deutschland ist beim Steuerniveau für Unternehmen im internationalen Vergleich stark abgerutscht. In den USA, auch in Italien, werden zum Beispiel mittlerweile wesentlich günstigere Steuerkonditionen für Unternehmen gewährt. Ein möglicher Weg, hier Boden gutzumachen wäre, Innovationen steuerlich mehr zu begünstigen. Warum nicht Investitionen von Firmen in solche Projekte steuerlich besser stellen?
Bedeutet der Ausbau der regenerativen Energien für Altana ein Risiko?
Babilas Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind für Altana von großer Bedeutung. Der Weg, den Deutschland aber beim Klimaschutz eingeschlagen hat, ist auch im internationalen Vergleich betrachtet ein teurer Sonderweg. Wir hätten uns beim Ausbau alternativer Energien besser im globalen Konzert abstimmen müssen.
Was bedeutet das für die Aktivitäten von Altana weltweit?
Babilas Wesel wird immer Herz und Zentrale bleiben, aber unsere Märkte entwickeln sich außerhalb von Deutschland dynamischer. Wir investieren deutlich mehr außerhalb von Europa. Auch der Mitarbeiteranteil in Asien etwa wird deutlich mehr steigen. Deutschland hat für uns aber nach wie vor einen hohen Stellenwert. 50 Prozent unserer weltweit rund 6.400 Mitarbeiter sind hier beschäftigt.
Der Stoff, den Sie produzieren, Additive als Beigabe zu Lack, muss auch im Kontext von Müll betrachtet werden. Die Weseler Grünen haben jüngst einen Antrag gestellt, in dem auch Altana aufgefordert wurde, Möglichkeiten des Beitrags zum Schutz der Weltmeere vor Plastikmüll zu benennen.
Babilas Plastikmüll ist ein aktuelles Thema – vor allem in Asien. Hier in Deutschland gilt: Ein Großteil des Plastikmülls wird schon jetzt entsorgt. Die Müllkreisläufe sind hier weitgehend geschlossen. Wir bei Altana haben uns zum Ziel gesetzt, Lösungen zu entwickeln, die die Haltbarkeit und das Recycling von Plastikmaterialien stetig verbessern.
Altana hat als Spender oft in Wesel gewirkt: Gibt es Projekte, die in Aussicht stehen?
Babilas Wir setzen auf die Themen Bildung und Soziales. Aktuell läuft das Projekt Bildungscoaching mit der Grundschule Innenstadt und dem Klausenhof. Wir finanzieren hier eine soziale Fachkraft, die sich um Bildungspaten kümmert. Die ehrenamtlichen Paten unterstützen die Entwicklung von aktuell 18 Kindern ab der 2. Klasse durch das Bildungscoaching. Dabei werden die Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen entsprechend ihrer Interessen und Fähigkeiten gefördert und gefordert. Auch im Rahmen einer Evaluation des Projekts haben sich alle Beteiligten sehr positiv dazu geäußert, sodass wir das Bildungscoaching weiter ermöglichen wollen. Wir beteiligen uns beim Thema Bildung auch am Haus der kleinen Forscher. Es gibt Besuche an Gymnasien, bei denen wir den Unterricht unterstützen.