Analyse Die Kieslöcher, eine Konferenz und die Lautbläser

Bei der Kies-Konferenz hagelt es Absagen. Selbst der Landrat als Hausherr will schnell weg und droht mit Klage. Man hört: lauter lautes Gerede, aber nur wenige Lösungsansätze. Die Wirkung ist fatal.

 „Kies und freie Luft“  Kunstaktion, bei der Tubisten in Erdlöchern eingegraben wurden. Ähnlichkeiten zu manchen politischen Posaunisten dieser Tage nicht ausgeschlossen.

„Kies und freie Luft“  Kunstaktion, bei der Tubisten in Erdlöchern eingegraben wurden. Ähnlichkeiten zu manchen politischen Posaunisten dieser Tage nicht ausgeschlossen.

Foto: Koster, Karin (kost)

Ein tiefer Graben durchzieht den Niederrhein, oder soll man sagen: Eine tiefe Kiesgrube? Auf der einen Seite der Grube sitzen die Kiesgegner vorwiegend vom linken Niederrhein, durchaus mit starken Argumenten. Auf der anderen Seite sitzen Kiesfirmen und einige unterstützende Parteien. „Wie diesen Graben wieder füllen?“, dachte sich die NRW-Landesregierung und heckte den Plan einer Kieskonferenz aus. Auf ihr sollten Kritiker des Kiesabbaus ebenso zu Wort kommen wie die Industrie. Die Hoffnung: Positionen würden in Einklang gebracht, idealerweise würden gemeinsam Flächen definiert, auf denen abgegraben wird.

Die Hoffnung, dass diese Kieskonferenz den Niederrhein voranbringt, ist geschwunden. Viele Bürgerinitiativen und Kommunen haben ihre Teilnahme schon abgesagt und die, die noch dialogbereit sind, werden von den Kreisgrünen neuerdings als Streikbrecher gebrandmarkt. Als ob es ein moralisches Verbrechen wäre, für einen Dialog zur Verfügung zu stehen. Das politische Signal, das die Grünen hier senden, ist fatal. Man darf sogar so weit gehen, dies undemokratisch zu nennen. In der Kies-Resolution hatten die Fraktionen des Kreistags doch alle diesen Dialog herbei gewünscht.

Die bisherigen Dialogformate hatte die Kiesindustrie selbst angeboten – damit zwar guten Willen gezeigt, aber den Eindruck einer Werbeshow nie vermeiden können. Eine neutrale Konferenz stand ausdrücklich auf der Forderungsliste der Poltik. „Ferner wird der Landrat beauftragt, im Kommunalrat um Unterstützung für die Einführung der Abgrabungskonferenz zu werben“, heißt es in der vor einem halben Jahr verabredeten Resolution. Nun schlägt sich Landrat Ansgar Müller (SPD) auf die Seite der Kritiker, das Kreishaus ist kein neutraler Ort mehr.

Die Landesregierung wiederum, die im Sommer den neuen Landesentwicklungsplan beschloss, trägt einen großen Anteil daran, dass die Lage beim Kiesabbau so verworren ist. Die Kies-Konferenz, das merkte in dieser Woche auch der Weseler CDU-Fraktionschef Jürgen Linz an, hätte eigentlich stattfinden müssen, bevor der Landesentwicklungsplan verabschiedet wurde. In einer solchen frühzeitigen Konferenz hätten Argumente ausgetauscht werden können, man wäre auf einen Kompromiss zugesteuert. Das wäre allemal wohltuender gewesen als das Rausblasen von Drohkulissen dieser Tage: mit einer Klage als Ultima Ratio?

Das wird das nächste Kapitel im Kies-Streit sein, der den Niederrhein nun seit Jahrzehnten beschäftigt. Landrat Müller bereitet gerade federführend eine Klage gegen den Landesentwicklungsplan vor. Noch hat er nicht das Mandat der Politik. Wenn aber Wesels SPD-Fraktionschef Ludger Hovest nun meint, dass sich Müller dafür eine Genehmigung der Kommunen einholen müsse, dann irrt er. Müller braucht nur das Mandat des Kreistags. Es wäre der Job von Ludger Hovest, seine Macht des Weseler Stadtverbandes auf Kreisebene durchsetzen und eine Absetzung der Klage zu fordern. Die CDU ist rechts und links des Rheins nicht weniger uneins.

Und nun? Wie so oft hilft ein Blick rüber zu unseren manchmal wirklich cooleren Nachbarn, den Niederländern. In dieser Woche war ein Kiesvertreter im Kreishaus zu Gast, um zu berichten, wie man dort Konflikte befriedet hat. Durchschlagende Wirkung hatte dort der Schachzug, mehr Macht in die Hände der Kommunen zu legen. Seitdem würde wirklich nur noch dort gebuddelt, wo Anwohnerinteressen mit denen der Kiesindustrie einher gehen, versicherte der Lobbyist. Und hier kommt dann die kaum noch besiedelte Fläche Vahnum bei Bislich ins Spiel, wo der Bau eines neuen Deiches nötig sein wird. Das Material liegt quasi auf den Feldern rechts und links bereit. Selbst Umweltverbände sehen bei dieser Fläche Chancen, bei einer maßvollen Abgrabung von Kies Feuchtwiesen schaffen zu können.

Es gibt durchaus Flächen, an denen Synergien erzielt werden können. Man müsste halt mal reden.

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sebastian.peters@rheinische-post.de

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