Kieswerken droht das Aus Branche kritisiert Industriefeindlichkeit

Wesel · Der Streit um den Regionalplan und künftige Ausgrabungsflächen für Kies nimmt an Schärfe zu. 13 Firmen mit 27 Standorten gibt es in der Initiative „Zukunft Niederrhein“. Elf Werke drohen bald geschlossen zu werden.

 Ginge es nach dem Wunsch der Weseler Firma Hülskens, würde das Kieswerk Pettenkaul bei Ginderich weiter ausgebaut. Doch das lehnt der Regionalverband Ruhr bislang ab.

Ginge es nach dem Wunsch der Weseler Firma Hülskens, würde das Kieswerk Pettenkaul bei Ginderich weiter ausgebaut. Doch das lehnt der Regionalverband Ruhr bislang ab.

Foto: Malz, Ekkehart (ema)

Mit einem dringlichen Appell hat am Freitag die Kiesindustrie am Niederrhein auf den Entwurf einer Resolution im Kreis Wesel reagiert. Wie berichtet, haben CDU und Grüne einen Entwurf vorgelegt, der eine drastische Senkung der geförderten Kiesmengen vorsieht. Die jährlich zulässige Abbaumenge müsse auf der Basis des Durchschnitts der vergangenen drei Jahre in den nächsten zwei Jahrzehnten bis auf einen Sockel halbiert werden. Nur dafür seien Flächen in Regionalplänen darzustellen. Die Kiesvertreter sehen darin eine industriefeindliche Politik. Solch ein Beschluss würde riskieren, dass bald Brücken und Häuser nicht gebaut werden können, weil Rohstoffe fehlen. „Wenn das Angebot an Kies verknappt wird, dann ist das die Folge“, sagte Michael Hüging-Holemans vom Reeser Unternehmen Holemans. „3000 Brücken müssen saniert werden, wo soll der Kies herkommen?“

Genehmigte Flächen stehen nur noch begrenzt zur Verfügung – das bedroht auch die Unternehmen vor Ort. Aus einem internen Protokoll, das unserer Redaktion vorliegt, sind die Laufzeiten der genehmigten Vorräte für die einzelnen Kieswerke der im Verband „Zukunft Niederrhein“ angeschlossenen Betriebe ersichtlich: 13 Unternehmen der Initiative gibt es am Niederrhein, sie betreiben insgesamt Kieswerke. Elf dieser Werke werden in den nächsten fünf Jahren geschlossen. Elf weitere würden in den nächsten fünf Jahren danach folgen. Vier hätten noch Reserven für einen Abbau bis zu 15 Jahren. Nur ein Kieswerk hat Reserven für einen Zeitraum von über 15 Jahren. Es gehört zur Heeren-Herkener Kiesbaggerei bei Haldern. Brisant ist die Lage etwa bei Hülskens in Wesel: Das Unternehmen hat fünf Standorte, bei einem sind nur noch fünf Jahre in Aussicht, bei dreien nur noch zehn.

Die Fronten sind verhärtet, im Kern liegt der Konflikt im neuen Regionalplan begründet, der der Kiesindustrie zwar neue Flächen zubilligt, allerdings nur dort, wo ein Kiesabbau bei Bürgern und Unternehmen keine Akzeptanz findet. Die Kiesvertreter Christian Strunk und Wolfgang Spittka (Hülskens), Michael Hüging-Holemans sowie Bernhard Lemkamp als Geschäftsführer der Initiative Zukunft Niederrhein verwiesen darauf, dass es in Teilen der Bürgerschaft auf beiden Rheinseiten im Kreis zwar Proteste gegen neue Kiesflächen gebe, diese Flächen von der Kiesindustrie aber überhaupt nicht verlangt würden. Im Klartext: „Die vom Regionalplaner vorgeschlagenen neuen Flächen in der Bönninghardt bei Alpen, in Lackhausen und Obrighoven sowie im Wickrather Feld bei Kamp-Lintfort wollen wir nicht“, sagt Christian Strunk, ehemaliger Bürgermeister von Xanten und jetzt Geschäftsführer des großen Weseler Kiesunternehmens Hülskens. Wenn allerdings keine Alternativflächen angeboten würden, dann werde man in vielen Jahren auch auf diese umstrittenen Flächen zurückgreifen müssen.

Die Vertreter der Kiesindustrie sehen eine Baukrise auf NRW und Deutschland zurollen, wenn ihnen nicht neue akzeptierte Flächen zugewiesen werden. Mit einer Erweiterung der Fläche Pettenkaul bei Ginderich – dort wird schon abgebaut – wäre man sehr zufrieden, sagt Strunk. In Drüpt bei Alpen gebe es eine Fläche, wo Kiesabbau vorgesehen ist. Trotz Protesten von Bürgern sei es sinnvoll, dort weiter abzugraben, sagte Wolfgang Spittka. „Das ist eine 20 Jahre alte Planung, sie ist unbedingt notwendig.“ Der RVR solle auch Flächen in Bislich-Vahnum direkt neben der Abgrabung Lohrwardt, an der Bislicher Insel oder in Duisburg im Mündelheimer Bogen oder Binsheim ins Visier nehmen. Potenziale gebe es noch viele.

Beim Regionalverband Ruhr (RVR) gebe es keine Bereitschaft zu Gesprächen, kritisiert die Kiesindustrie. Mehrere Gesprächsangebote habe man angeboten, auch mit der Politik suche man den Dialog. Unter anderem von der CDU, so wird zwischen den Zeilen laut, ist man enttäuscht.

Auch auf den Vorwurf, niederrheinischer Kies sei Exportschlager, reagierte die Branche am Freitag. „Die Welt wird nicht mit Kies vom Niederrhein versorgt“, sagte Christian Strunk. Einzig in einen Benelux-Markt sei man eingebunden, sagte Michael Hüging-Holemans. „Manche Werke haben null Prozent Exportquote, ich habe in einem Werk 80 Prozent.“ Die Kiesmengen würden direkt Abnehmer finden, derzeit lebe man quasi „von der Hand in den Mund“, sagte Bernhard Lemkamp. Die Nachfrage sei immens. „Ein Kilo Kies pro Stunde verbraucht jeder Deutsche“, sagt Christian Strunk, der Kies als den „sozialsten Rohstoff“ bezeichnet, da er so günstig sei und jedermann nütze. Die Tonne Kies kostet derzeit sechs bis neun Euro, ungefähr auf dem Niveau von 2008.

Auch innerparteilich gibt es zwischen Kreispolitik und den Kommunen Konflikte in der Kiesdebatte: Während die Weseler SPD als Lobbyist der Kiesunternehmen auftritt, hat die Kreis-SPD am Freitag mehr Beschränkungen gefordert und Teile der Resolution von CDU und Grünen im Kreis als nicht weitgehend genug bezeichnet. Gerd Drüten und Gabi Wegner von der Kreis-SPD fordern, dass die Abbaumenge des Kieses schon in 15 Jahren auf 50 Prozent reduziert wird – und nicht erst in 20 Jahren.

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