Wesel Wenn Jungs auf Wurstjagd gehen

Wesel · Drei Wochen vor dem Straßenkarneval machen sich im Binnenbruch die Wurstjäger auf den Weg. Die Tradition wird seit Jahrzehnten gepflegt und sorgt bei den Hünxer Junggesellen für Spaß und für nachbarschaftlichen Zusammenhalt.

 Die Gruppe trägt Schlafanzüge über der normalen Kleidung, eine Art Schürze, einen Strohhut und einen geschminkten Drei-Tage-Bart.

Die Gruppe trägt Schlafanzüge über der normalen Kleidung, eine Art Schürze, einen Strohhut und einen geschminkten Drei-Tage-Bart.

Foto: Martin Büttner

Es sieht nach einem wilden Haufen aus, wenn die Binnenbrucher Jungs, wie sich die Wurstjäger in einem der Wurstjagd-Bezirke in Hünxe nennen, in ihrer Nachbarschaft auf die Jagd nach Nahrungsmitteln begeben: Die Gruppe trägt Schlafanzüge über der normalen Kleidung. Dazu kommt eine Art Schürze, ein Strohhut und ein mit schwarzer Schminke ins Gesicht gezauberter Drei-Tage-Bart. "Eigentlich ist das ein Räuberkostüm", erklärt Wurstjäger Moritz Salomon den besonderen Aufzug. Wenn die Wurstjäger durch die Nachbarschaft ziehen, dann bekommen sie ihre Beute allerdings ganz legal. Sie klingeln an Türen und tauschen dort Spenden in Form von Würstchen, Eiern oder Spirituosenflaschen gegen einen Schnaps aus Flaschen, den sie mitführen.

Wie alt die Tradition genau ist, vermag niemand zu sagen. Jedenfalls ziehen die jungen, unverheirateten Männer zwischen 18 und 30 Jahren schon seit Jahrzehnten als Wurstjäger durch das Dorf. "Unsere Väter waren eigentlich alle mit dabei und teilweise auch unsere Großväter schon", erzählt Moritz Salomon. Auch beim 18-jährigen Tobias Rühl, der dieses Mal zum ersten Mal mit den Wurstjägern unterwegs ist, gehört der jecke Brauch zur Familientradition. "Mein Großvater war hier schon mit dabei. Das Kostüm, das ich trage, hat er auch schon angehabt." Seine erste Teilnahme am Wurstjagen gefällt ihm bisher ganz gut. "Das macht richtig Spaß", sagt er.

Während Tobias Rühl mit seinen 18 Jahren einer der jüngsten in der Gruppe aus 13 Wurstjägern ist, ist Toiven Bergenthun mit seinen 29 Jahren der älteste Wurstjäger. Was man leicht daran erkennen kann, dass er die "Wurstgabel" trägt, eine Konstruktion, die ein wenig nach einer überdimensionierten Gabel mit zwei Zinken aussieht, an deren Enden sich Hörner befinden und die mit Würsten behängt ist. "Für mich ist es dieses Jahr das letzte Mal, dass ich mit dabei bin. Ich werde nämlich 30 - dann ist es vorbei."

Auch er gehört seit er 18 Jahre alt ist zu der Truppe, die sich jedes Jahr auf den Weg macht, um Lebensmittel einzusammeln. Die werden von den Wurstjägern übrigens nicht selbst gefuttert, sondern dienen als Spende fürs abendliche Wurstessen. "Dazu sind alle eingeladen, die wir antreffen", erklärt Moritz Salomon.

Überhaupt hat das Wurstjagen viel mit der Nachbarschaft in der Gemeinde Hünxe zu tun. "Früher ging es natürlich auch darum, die Nachbarschaft kennenzulernen und irgendwann auch eine Partnerin zu finden", erklärt Moritz Salomon. Auch wenn das mittlerweile etwas in den Hintergrund geraten ist, spielt die Verbundenheit der Nachbarn noch immer eine Rolle. Oft werden die Wurstjäger in die Häuser eingeladen und mit Kaffee und belegten Broten versorgt. "Es gibt einige Familien, bei denen wir schon wissen, dass der Aufenthalt da immer etwas länger dauert", erklärt Moritz Salomon. So auch bei Familie Steinkamp. André Steinkamp, der jüngste Sohn der Familie, mischt bei den Wurstjägern mit und denen kommt der Zwischenstopp auf dem Hof der Familie gegen 11.30 Uhr ganz gelegen, sind sie doch schon seit 6.30 Uhr unterwegs und haben rund fünf Kilometer Strecke in den Beinen. "Normalerweise laufen wir quer über Wiesen, Felder und durch den Wald", erzählt Salomon. Bei Regen und kurz nachdem Sturmtief Friederike tobte, bleiben sie dieses Mal lieber doch auf den Feldwegen und Straßen. Auf die kehren sie nach dem kurzen Zwischenstopp bei Familie Steinkamp auch wieder zurück, mit einem Lied auf den Lippen. Dann teilt sich die Gruppe auf. "Wir müssen etwas auf die Zeit schauen", erklärt Moritz Salomon. Denn um 20 Uhr sollen alle Häuser in der Umgebung bejagt worden sein. "Wir wollen ja nicht zu unserem eigenen Wurstessen zu spät kommen", sagt er.

(RP)
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