Wie Geht's, Wesel? Welch eine Chance!

Wesel · Wesel muss an den Rhein rücken. Andere Städte machen vor, wie Wohnen mit Rheinblick funktionieren kann. Jetzt ist die Zeit der mutigen Politiker und Verwaltungsmitarbeiter.

Jetzt rollen endlich die Bagger auf dem Weseler RWZ-Areal direkt am Rhein, der alte Raiffeisen-Speicher wird abgerissen, und wer das Träumen noch beherrscht, wer im Kopf nicht gänzlich durchdrungen ist von Paragrafen und Planungsrestriktionen, der muss denken: Das ist für Wesel die Chance des Jahrhunderts! Die Eigentümer reißen zwar das Alte ab, haben aber noch keine konkrete Perspektive für das Areal. Endlich, muss man rufen, endlich böte sich eine klitzekleine Chance für Wesel, Wohnen am Rhein zu realisieren!

Man kennt die ganzen Gegenargumente, und wenn man in dieser Woche mit Politikern über das Thema sprach, dann war denen ihre Schere im Kopf selbst unangenehm. Natürlich handelt es sich beim RWZ-Gelände um Hafenareal, natürlich müssen die Industriebetriebe geschützt werden, natürlich steht dort eine Kläranlage, die an manchen Tagen riecht, wie eine Kläranlage eben so riecht. Und natürlich hat es in den vergangenen Jahrzehnten schon viele Versuche gegeben: Gestaltungswettbewerbe, Prüfaufträge, ausufernde Debatten. Was hat es gebracht? Wesel und der Rhein - das ist keine richtige Freundschaft geworden. Andere Städte wissen den Schatz des Rheinufers zu heben. In Wesel ist das noch nicht gelungen.

Und doch glauben wir: Wenn in dieser tollen Lage in Wesel am Rhein Wohnungen gebaut werden, dann wird es Käufer geben. Sie werden gut zahlen und all die Umstände dort in Kauf nehmen, weil man sich eigentlich keinen romantischeren Ort vorstellen kann für ein Glas Wein auf der Terrasse, unter Sternenhimmel, mit Blick auf schippernde Kähne und eine magisch illuminierte Weseler Rheinbrücke. Vor den Häusern könnte ein feiner Platz entstehen, mit Bänken, vielleicht sogar Gastronomie. Es wäre ein erster kleiner Schritt, weitere könnten folgen: Das Flachglas-Gelände beispielsweise bietet ebenfalls perspektivisch die Option, dort Häuser zu bauen. Derzeit sind da noch Industriebetriebe angesiedelt. Aber auch für die könnten sich neue zukunftssichere Standorte finden lassen. Vom Dom aus sollten die Pastor-Bölitz-Straße und die Fischertorstraße eine echte Allee zum Rhein werden, mit einladender Fußweggestaltung.

Geht nicht! Das ist der übliche Reflex, wenn man mit Politik und Verwaltung in Wesel über die Option einer Bebauung am Rhein spricht. Ja, man versteht diese Skepsis. Die kuriose Debatte um den Standort für das geplante neue Kombibad am Rhein zeigt doch gerade, dass einem die höheren Instanzen wie Staatskanzlei und RVR manchmal ganz schön dicke Knüppel zwischen die Beine werfen können. Wie absurd. Da steht schon ein Freibad am Rhein, da gibt es Minigolf, Hotel, Biergarten - nur ein Schwimmbad mit Überdachung darf an diesem Ort nicht entstehen. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Es ist der Verwaltung zu wünschen, dass sie ihre Planung durchsetzt.

So oder so: Dass die städtischen Planer aufgrund solcher Entwicklungen höchste Zurückhaltung üben, wenn es um eine so kühne Sache wie ein Wohnprojekt am Hafen geht, ist nur verständlich. Und doch: "Nur Mut!", will man rufen. Kühne Ideen hatten schließlich auch die, die in den Achtzigern auf die Idee kamen, die Straße am Düsseldorfer Rheinufer unter die Erde zu legen, um dort Platz für eine riesige Rheinpromenade zu schaffen. Eine ganze Straße unterirdisch. Wer heute durch die Landeshauptstadt läuft, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Köln hat es ähnlich gemacht: In Rheinnähe sind dort von Stararchitekten gigantische Häuser errichtet worden. Und in Krefeld-Uerdingen wird derzeit geplant, direkt neben dem großen Chemiepark ein großes Luxuswohnprojekt zu realisieren. Geplant wird "Rheinblick" dort unter anderem vom Hamburger Iraner Hadi Teherani, der in Köln auch die Kranhäuser im Rhein entworfen hat.

Krefeld könnte so etwas wie der Modellfall für Wesel werden. Wenn es dort gelingt, ein Wohnprojekt umzusetzen, trotz Hochwassergebiets, trotz des Chemieparks direkt nebenan, trotz einer Hafenanlage, die täglich von Schiffen angefahren wird, dann sollte auch Wesel den Versuch unternehmen, das RWZ-Gebiet planerisch zu entwickeln.

Wesel an den Rhein - irgendwann muss einfach mal ein Anfang gemacht werden.

Ihre Meinung? Schreiben Sie: Sebastian.Peters@Rheinische-Post.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort