Wesel Was junge Leute politisch bewegen wollen

Wesel · Noch gut eine Woche, dann heißt es "Kreuzchen machen" und darüber entscheiden, wer im Weseler Rat künftig die Interessen der Bürger vertreten soll. Dabei setzen die Parteien nicht nur auf erfahrene Lokalpolitik-Größen, sondern auch auf den politischen Nachwuchs.

Das sagt der Politiknachwuchs vor der Kommunalwahl 2014 in Wesel
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Das sagt der Politiknachwuchs vor der Kommunalwahl 2014 in Wesel

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Der könnte durchaus frischen Wind in die Ausschüsse und Ratssitzungen bringen. Denn Ideen, wie Wesel auch für die junge Gereration attraktiver werden könnte, haben die Kandidaten genügend. Doch wofür steht Wesels Politiker-Nachwuchs, was treibt ihn an? Antworten darauf diskutierten die jungen Politiker beim RP-Wahlpodium in der Lokalredaktion zwei Stunden lang. Frank Grootens (CDU), Christoph Gockeln (SPD), Noel Schroers (FDP), Jens Jaschik (Linke), Stephanie Michalsky (Piraten), Tim Brömmling (WWW) und Tatjana-Melissa John (Grüne, sie vertrat Kandidatin Nele Jung) erzählten RP-Redakteur Klaus Nikolei in einem lockeren und überaus fairen Gespräch, was der neue Weseler Rat — gerade für junge Menschen — tun sollte.

Los ging es mit einer kleinen Fragerunde, um warm zu werden. Hier wurde deutlich: Viele der Kandidaten haben früh angefangen, sich für Politik zu interessieren. "Im Berufskolleg haben wir uns damals über Tagespolitik unterhalten. Dann habe ich gemerkt: Stammtischgespräche sind mir zu wenig. Ich wollte in einer Partei aktiv werden", erzählt Christoph Gockeln. Bei Stephanie Michalsky hingegen ist das Interesse für Politik erst vor Kurzem erwacht. "Durch meine Kinder", sagt die 27-Jährige, die sich Gedanken um die Zukunft ihres Nachwuchses macht. Frank Grootens aus Bislich hat ein politisches Gen — sein Onkel Christoph Gerwers ist Reeser Bürgermeister, sein Opa Bruno Gerwers war im Weseler Rat. "Ich weiß, man kann was erreichen. Dass ich als Kandidat aufgestellt wurde, kam überraschend", sagt der 20-Jährige.

Auf die Frage, welche politische Größe sie gerne mal treffen würden, gab's unterschiedliche Antworten — über die Parteigrenzen hinweg. "Ich würde gerne mal mit Angela Merkel über Flüchtlingspolitik sprechen", sagt die Grüne Tatjana-Melissa John. Jens Jaschik, der schon Die-Linken-Größen Gysi und Wagenknecht traf, würde sich über ein Gespräch mit Bundespräsident Gauck freuen. Beruflich gesehen, steht bei den meisten ein erfolgreicher Studienabschluss als Ziel auf dem Plan.

Personell gesehen, habe man nicht den Eindruck, dass die Interessen junger Leute im Rat vertreten würden, sagte Tim Brömmling mit Blick auf den Altersdurchschnitt der Politiker. "Junge Leute haben Probleme, bezahlbaren Wohnraum zu finden", nannte der WWW-Kandidat einen Aspekt, den es zu verbessern gelte. Noel Schroers (FDP) merkte an, dass es beim Personennahverkehr stockt. Einmal stündlich ein Bus — und das nur bis 20 Uhr, solche Anbindungen reichten nicht. Was ist schön an Wesel?

Auf die Frage, was ihnen an Wesel gefällt, fiel den Kandidaten viel ein. Der "Bislicher Jung" Frank Grootens betonte das aktive Dorfleben mit vielen Vereinen. Das mache Wesel stark. "Ich komme immer gerne nach Hause", sagt der 20-Jährige, der unter der Woche in Düsseldorf Jura studiert. "Für Wesel spricht der Auesee", sagte Tim Brömmling. Auch über die Fußgängerzone könne man nicht klagen. Junggenosse Christoph Gockeln freut sich, dass der Kornmarkt wieder mehr belebt sei. Tatjana-Melissa John nannte das Schwarze Wasser und den Auesee, wies aber darauf hin, dass man beide Refugien in seiner natürlichen Form belassen sollte. Auch historisch und kulturell sei Wesel sehr interessant, sagte Jens Jaschik.

"Man sollte Freiwilligenstellen einrichten für einen Fahrdienst, der Leute von außerhalb zu den Geschäften bringt", schlug der 17-jährige Tim Brömmling vor, der noch rechtzeitig vor der Wahl 18 Jahre alt und damit wählbar wird. "Die Stadt könnte auch kinderfreundlicher gemacht werden", sagte Piratin Stephanie Michalsky, nennt Wickelplätze und Spielecken. Dinslaken sei da ein gutes Vorbild. Auch was die Behindertenfreundlichkeit angeht, gebe es noch was zu tun, sagte Christoph Gockeln, der selbst im Rollstuhl sitzt. "Wesel ist gar nicht so schlecht, wie es viele machen. Wesel ist keine Großstadt, dafür ist es hier ganz gut", sagte Grootens (CDU).

Man müsse mehr für Leute tun, die nicht im Verein sind, aber trotzdem Sport machen wollen, stellte Noel Schroers fest. Die ländliche Fläche biete viel Platz, da müsse man offen sein. Tim Brömmling brachte die Idee eines größeren Skater-Platzes ins Spiel. "Vielleicht in Kombination mit einer Sportanlage in Richtung Rhein." Überhaupt böten der Rhein und die Promenade jede Menge Potenzial, sagte Gockeln. "Der Trend muss zum Wasser gehen", pflichtete ihm Grootens bei. Die Promenade sei ausbaufähig.

Was die Frage nach der Schullandschaft anging, lagen die Meinungen auseinander. "Wir fordern eine zweite Gesamtschule, es werden am Lauerhaas viele abgewiesen", sagte Tim Brömmling. Jetzt müsse man langsam handeln. Dem widersprach Frank Grootens. "Eine zweite Gesamtschule wäre der Tod fürs dreigliedrige Schulsystem", sagte der ehemalige KDG-Schüler. Man müsse umdenken, es müsse nicht jeder Abitur haben. Noel Schroers warf angesichts der hohen Schulden die Frage der Finanzierung auf. Stephanie Michalsky ist pro Gesamtschule und für G 9. "Längeres Zusammenlernen ist besser für Kinder."

Inklusion Christoph Gockeln sprach das Thema Inklusion an. Der Rollstuhlfahrer war mal in einer integrativen Klasse. Es sei eine romantische Vorstellung, dass alles zusammengehe, aber es fehle an Personal, sagte Frank Grootens. Noel Schroers nannte die Idee, in Ginderich als Nachnutzung der auslaufenden Schule eine integrative Schule entstehen zu lassen. In anderen Ländern sei zudem eine Weiterbildung zum Sonderpädagogen möglich, so Tatjana-Melissa John über Auswege aus dem Personalmangel.

Wesel attraktiver machen "Bocholt ist eine echte Vorbildstadt. Wenn ich ins Kino will, fahre ich da hin. Auch sowas wie KuBa oder Country hat Wesel nicht", nennt Frank Grootens Defizite. Der Kornmarkt, so Schroers, sei zwar ganz nett — aber keine Location, wo man feiern geht. "Das Nachtleben grenzt an scheintot", so der 19-Jährige.
Wohin soll Wesel sich entwickeln? Wesel müsse mehr Gewerbeflächen ausschreiben. "Wir brauchen eine stärkere Wirtschaft", so Noel Schroers. Mehr Firmen bedeuteten auch mehr Ausbildungsplätze. Zudem solle man eine eigene Hochschule nach Wesel holen. "Vielleicht wird die Hochschule Rhein-Waal ja noch weiter ausgebaut", hofft Politik-Studentin Tatjana-Melissa John. Eine Hochschule für Wesel, da war man sich einig, würde die Situation für junge Leute in Wesel verbessern. "Das wäre das Beste, was Wesel passieren könnte", sagte Tim Brömmling. Christoph Gockeln sprach sich zudem dafür aus, das kulturelle Angebot auszubauen. Es gebe aber bereits durchaus positive Beispiele. Hier wurden das Ex-Kino Scala und das Eselrock-Festival genannt.

Wahl-Endspurt Für die jungen Kandidaten geht es nun in den Wahlkampf-Endspurt. Der liegt gerade für die Abiturienten unter ihnen nicht ganz optimal — auf Tim Brömmling wartet beispielsweise am Tag nach der Wahl die mündliche Abi-Prüfung. Am 25. Mai werden fast alle als Wahlhelfer aktiv sein — und sich anschließend vielleicht feiern lassen können. Frank Grootens und Christoph Gockeln glauben an ihren Einzug in den Rat. "Ich habe einen guten Listenplatz, würde aber gern direkt gewinnen", sagt Grootens, der für die CDU in Bislich antritt. An das direkte linksrheinische Ticket glaubt Christoph Gockeln hingegen nicht. Er tritt für die SPD gegen CDU-Bürgermeisterkandidat Jürgen Linz in Büderich an.

In zwei Dingen sind sich die "Konkurrenten" einig: Es wäre gut, wenn einige junge Leute in den Rat kommen — und möglichst viele junge Menschen zur Wahl gehen.

(ac)
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