Wesel Vor 69 Jahren ein Feind, heute ein Freund

Wesel · Erinnerung an den 24. März 1945: John Leather (89) aus Wesels Partnerstadt Hagerstown (USA) besuchte am Gut Bossigt (Haus Duden) die Stätte seiner Verwundung bei der größten Luftlandung der Militärgeschichte.

John Leather ist ein freundlicher Herr, der nicht mehr gut hören kann und schlecht zu Fuß ist. Gern hakt er sich bei Volker Haubitz und Richard Wolsing unter. Der stellvertretende Bürgermeister und der Vorsitzende der Partnerschaftsvereinigung Wesel-Hagerstown geleiten den Gast aus den USA vor das Hotel Haus Duden. Vor 69 Jahren war John Leather schon einmal hier. Aber nur ein paar Stunden. Am 24. März 1945 wurde der damals 20-Jährige bei der größten Luftlandung der Militärgeschichte verwundet. Ganz in der Nähe hatte ein Granatsplitter ihn am Fuß getroffen. Das Andenken an einen deutschen Panzer steckt immer noch im Knöchel.

Dennoch geht Leather recht gelassen damit um, der Stätte schwerer Kämpfe zu begegnen. Bei der "Operation Varsity" der Allierten zwischen Wesel und Hamminkeln waren die Verluste in der Endphase des Zweiten Weltkriegs hoch. Auf beiden Seiten verloren Hunderte ihr Leben. John Leather ist heute als Freund gekommen. Wie es der Zufall will, lebt er in Hagerstown (Maryland). Ausgerechnet in der Stadt, mit der Wesel seit 1954 eine offizielle Partnerschaft unterhält. Es ist eine der ältesten zwischen einer deutschen und einer US-amerikanischen Stadt. Nur zu gern waren Wolsing und seine Freunde aus der Partnerschaftsvereinigung bereit, für Leather, Schwiegertochter Pat und Sohn Steven einen besonderen Empfang zu organisieren.

Der Weltkriegsveteran war Staff Sergeant in der F-Kompanie des 149. Gleiter-Infanterieregiments der 17. US-Luftlandedivision. Um diese Division kümmert sich besonders eine belgische Gesellschaft. Sie sammelt unter anderem Geld ein, um US-Veteranen der "vergessenen 17.", so Gregory de Cock (Brüssel), Besuche ihrer europäischen Kriegsschauplätze zu ermöglichen. Von den Ardennen bis zum Niederrhein. Nun traf es John Leather, der zufällig in Wesels Partnerstadt lebt.

Also lässt es sich auch die Stadt nicht nehmen, den Gast ordentlich zu begrüßen. Bürgermeister-Vize Haubitz bringt eine Tasche mit Wesel-Präsenten und betont, dass die Partnerschaft zwischen Wesel und Hagerstown so kurz nach Kriegsende schon "eine kleine Sensation war". Leather sagt, dass er die deutsche Zivilbevölkerung als freundlich erlebt habe. "Bis auf ein Haus", das man dann abgerissen habe. Die Episode beschreibt Leathers Aufgaben nach der Genesung von seiner Verwundung. Da war er im Raum Essen, um versteckte Waffen auszuspüren. Nach Essen zieht es ihn in diesen Tagen nicht. Da habe sich doch seit der Zerstörung damals alles verändert. Die Wiesen und Gehöfte rund um die Isselbrücken, die sie damals sichern sollten, geben Leather schon eher Anhaltspunkte.

Interessiert folgen Jutta Muysers (45) geborene Baumgardt vom Lokal Schwan und ihr Sohn Franz (elf) den Geschichten von 1945. Denn die Gaststätte wurde damals in Brand gesteckt. Da will sie mehr wissen und bekennt mit Respekt: "Mein Vater wäre nie auf die Idee gekommen, in Russland die Stelle seiner Verwundung zu besuchen."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort