Vom Sattler zum Reichspräsidenten Rätsel um Friedrich Eberts Spuren in Wesel

Wesel · Friedrich Ebert, vor 100 Jahren erster demokratisch gewählter Reichspräsident, wird an der Brückstraße gewürdigt. Hier hat er bei Scherz (heute Korn) als Sattler gearbeitet. Auch trägt eine Brücke in Wesel seinen Namen. Und sonst?

 Der einzige Beleg für seine Anwesenheit in Wesel: Friedrich Ebert, rechts neben dem am Tisch sitzenden Meister, als Sattlergeselle bei der Firma Scherz

Der einzige Beleg für seine Anwesenheit in Wesel: Friedrich Ebert, rechts neben dem am Tisch sitzenden Meister, als Sattlergeselle bei der Firma Scherz

Foto: NN/n.n.

Wenn es am Dienstag, 14. Mai, in der Buchhandlung Korn ab 18 Uhr in einem Vortrag um „Das Erbe von Friedrich Ebert an die Demokratie in Deutschland“ geht (wir berichteten), dann passiert das an einem besonderen Ort. Hintergrund der bereits restlos ausgebuchten Veranstaltung ist zwar die Beschäftigung mit der politischen Leistung und Wirkung des Mannes, der vor 100 Jahren, am 11. Februar 1919, erster deutscher demokratisch gewählter Reichspräsident der Weimarer Republik wurde. Die Adresse Brückstraße 13 aber war, vermutlich sehr kurz, einmal seine Arbeitsstätte als Sattler bei Scherz – heute Korn. Die Quellenlage dazu ist dürftig. Das gilt für vieles aus Eberts frühen Jahren. Bis heute halten sich widersprüchliche Angaben zu seinem Lebenslauf. Auch die Frage, ob das spätere Schwergewicht der SPD überhaupt in Wesel war, ist schon breit ein Thema gewesen. Vor genau 15 Jahren gab es im Preußen-Museum (heute LVR-Niederrheinmuseum) einen Vortrag, in dem als einziger Beleg für Eberts Anwesenheit in Wesel ein Foto diente. Auf diesem, aufgenommen in der Sattlerei Conrad Scherz, ist er stehend neben dem Meister zu sehen. „Ob dieser junge Mann auf dem Foto wirklich der Sattlergeselle Friedrich Ebert ist, das lässt sich aber nur mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuten“, berichtete die Rheinische Post 2003. 1890 soll Ebert, der nach der Lehre 1888 auf Wanderschaft gegangen war, in Wesel gewesen sein. Und zwar in der Zeit von Anfang Oktober bis Ende Dezember. „Wie lange Ebert in Wesel war, lässt sich nicht sagen. Wahrscheinlich waren es nur einige Wochen. Das könnte erklären, warum er hier nicht gemeldet war“, heißt es in dem RP-Bericht über den Vortrag weiter.

 Reichspräsident Friedrich Ebert im Jahre 1923

Reichspräsident Friedrich Ebert im Jahre 1923

Foto: Bundesarchiv

Das Bild aus der Scherz-Unternehmenschronik gibt bis heute Rätsel auf. „Die Belegschaft der Sattlerei Conrad Scherz in Wesel, wo Ebert kurze Zeit arbeitet. Er steht rechts neben dem bärtigen Meister und hält ein Sellet, ein Pferde-Rückengeschirr, in den Händen. Von: Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte“ steht auf der Seite der Friedrich-Ebert-Stiftung im Lebenslauf unter der Aufnahme – allerdings für die Jahre 1888/89. Im Internet-Lexikon Wikipedia ist das Bild ebenfalls zu sehen. Hier soll es Ebert 1885 als Lehrling beim Sattler J.P. Rummel zeigen. So jedenfalls lautet der Eintrag zu der Aufnahme im Bundesarchiv.

 Die Bronzeplatte des Verkehrsvereins Wesel mit dem Fehler 1922 (statt 1919) bis 2025 Reichspräsident hängt am Haus Brückstraße 13.

Die Bronzeplatte des Verkehrsvereins Wesel mit dem Fehler 1922 (statt 1919) bis 2025 Reichspräsident hängt am Haus Brückstraße 13.

Foto: Fritz Schubert

Die Friedrich-Ebert-Grundschule in Dortmund hat noch ganze andere Informationen. Sie sagt zu ihrem Namenspatron, dass er 1885 bis 1888 das Handwerk des Sattlers in Wesel erlernte. In Wesel selbst ist es auch nicht viel besser. Wie Martin Roelen, Leiter des Stadtarchivs bestätigt, „gibt es nichts“. Im Melderegister gibt es keinen Eintrag, an dem sich was festmachen ließe. Anderen Quellen zufolge soll er an der Kurzen Straße gewohnt haben, also recht nah an seinem Arbeitsplatz, wo die Nachfahren des Gründers Conrad Scherz zu besonderen Anlässen immer wieder gern das mutmaßliche Ebert-Bild ausstellten, sagt Michael Day, dessen Mutter eine Enkelin Conrads war und der das Geschäft bis zur Aufgabe 2007 führte.

Seit vielen Jahren hängt rechts am Haus Brückstraße 13 eine Bronzetafel des Weseler Verkehrsvereins, die Ebert eine Reichspräsidentschaft von 1922 bis 1925 bescheinigt. Tatsächlich aber war er ja 1919 ins Amt gewählt worden. Das wäre dringend mal zu berichtigen und außerdem ein Grund, über die Gestaltung nachzudenken. Die Bronzetafel springt nicht direkt ins Auge. Eine weitere Ebert-Tafel, im Stil jener aus der Sandstraße, hing übrigens bis vor kurzem auch links an dem Haus, doch steht sie seit Arbeiten am Nachbargebäude auf der Verlustliste. Damit nicht genug: Auch die SPD Wesel vermisst ein Schild. Sie machte vor vier Wochen darauf aufmerksam, dass an der Friedrich-Ebert-Brücke (B 58) der Hinweis auf ihren Namensgeber verschwunden ist, bat Zeugen um Mitteilungen zum Verbleib und anderenfalls um das Anbringen eines neuen Schildes.

Bürgermeisterin Ulrike Westkamp wird am Dienstag in der Buchhandlung Korn zur Eröffnung sprechen. Es folgt der Vortrag von Prof. Walter Mühlhausen von der Ebert-Gedenkstätte Heidelberg. Er wird unter Moderation von Corinna Schlechtriem (WDR) mit Michael van Meerbeck (Bündnis für Demokratie und Toleranz im Kreis Wesel) und dem SPD-Landtagsabgeordneten René Schneider diskutieren.

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