Bauprojekt für 4,5 Millionen Euro Volle Reisefreiheit für Fische im Mühlenbach

Schermbeck · Umweltministerin Ursula Heinen-Esser kam zum ersten Spatenstich für die Umgestaltung des Mühlenbachs nach Bricht. Insgesamt wird das Bauprojekt, das im Rahmen „Lebendige Lippe“ umgesetzt wird, 4,5 Millionen Euro kosten.

 Am ersten Spatenstich beteiligten sich (v.l.) Bürgermeister Mike Rexforth, Bodo Klimpel als Ratsvorsitzender des Lippeverbandes, Professor Uli Paetzel als Vorstandsvorsitzender des Lippeverbandes, NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser, Günter Helbig als erster stellvertretender Landrat des Kreises Wesel und Emanuel Grün als Technischer Vorstand des Lippeverbandes.

Am ersten Spatenstich beteiligten sich (v.l.) Bürgermeister Mike Rexforth, Bodo Klimpel als Ratsvorsitzender des Lippeverbandes, Professor Uli Paetzel als Vorstandsvorsitzender des Lippeverbandes, NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser, Günter Helbig als erster stellvertretender Landrat des Kreises Wesel und Emanuel Grün als Technischer Vorstand des Lippeverbandes.

Foto: Helmut Scheffler

Zum ersten Spatenstich für die Umgestaltung des Mühlenbaches in der Nähe der Einmündung in die Lippe konnte Schermbecks Bürgermeister Mike Rexforth gestern Mittag auch die NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser begrüßen, die sich freute, einmal nicht wegen der Wölfin und der Ölpellets in Schermbeck tätig sein zu müssen, sondern für ein Gewässer im Einzugsbereich der Lippe, „die uns als Landesgewässer sehr am Herzen liegt.”

 Die Einmündung des Mühlenbaches (dünnere blaue Linie von oben) in die Lippe (dicke waagerecht verlaufende blaue Linie) wird um 200 Meter nach Westen (links) verlegt. Die neuen Schleifen (dunkelgrün) verlängern den Mündungsbereich um 270 Meter.

Die Einmündung des Mühlenbaches (dünnere blaue Linie von oben) in die Lippe (dicke waagerecht verlaufende blaue Linie) wird um 200 Meter nach Westen (links) verlegt. Die neuen Schleifen (dunkelgrün) verlängern den Mündungsbereich um 270 Meter.

Foto: EGLV

Anlass für die Maßnahme, für die das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Programms „Lebendige Lippe” in den nächsten acht Monaten 4,5 Millionen Euro investiert, sind morphologische Veränderungen des Lippebettes. Wie Emanuel Grün als Technischer Vorstand des Lippeverbandes erläuterte, hat sich die Lippe durch eine intensive Tiefenerosion so in der Lippeaue abgesenkt, dass das Wasser des Mühlenbaches nur über eine Geländestufe von 2,60 Meter in die Lippe gelangen kann.

Durch diese Geländestufe ist der Mühlenbach für Fische zu einer Einbahnstraße geworden. Die Fische der Lippe hätten, so Uli Paetzel, der Vorstandsvorsitzende des Lippeverbandes, keine Chance, in den Mühlenbach und durch den Schermbecker Ortskern in Richtung Erle zu gelangen. Er geht davon aus, dass sich die Insektenzahl, die sich in den letzten 50 Jahren in der Lippe etwa verzwölffacht hat, nach der Fertigstellung der Baumaßnahme analog im neuen Mündungsbereich des Mühlenbaches fortsetzen werde. „Wo Insekten sich wohlfühlen, schmeckt es auch Fischen”, ist Paetzel überzeugt.

Und wo es Fische gebe, seien auch Eisvogel und Otter nicht mehr weit. „Das sind Entwicklungen, die wir uns wünschen und die wir brauchen”, fügte er hinzu und kündigte zugleich weitere Maßnahmen am Mühlenbach und an der am Mühlenbach liegenden Schermbecker Kläranlage an.

Um die Geländestufe zu beseitigen, werden verschiedene Baumaßnahmen erfolgen. Der Mühlenbach wird um rund 270 Meter verlängert, sodass die Anbindung an die Lippe flacher und naturnäher gestaltet wird. Dazu verschiebt sich die Einmündung um rund 200 Meter lippeabwärts. Um die Geländestufe von 2,60 Metern zu überwinden, erläuterte Emanuel Grün anhand einer farbigen und großformatigen Karte die Funktion zweier jeweils 32 Meter langen Sohlgleiten. Die werden jeweils einen Meter ausgleichen. Dabei kommt eine besondere Technik zum Einsatz. Pro Sohlgleite werden zwölf Becken kaskadenartig miteinander verbunden. Jedes Becken ist zwei mal drei Meter groß. Schwimmen Fische die Mündung des Schermbecker Mühlenbachs hinauf, müssen sie die 15 Zentimeter breiten Schlitze zwischen den Becken ansteuern. „Der Versatz reguliert die Strömung und schafft so Ruhezonen für die Fische”, nannte Emanuel Grün als einen wichtigen Vorteil.

Nicht nur die Sohlgleiten werden sich positiv auf die Artenvielfalt im Bach auswirken. Das Profil des Mühlenbachs wird teilweise aufgeweitet und mit Totholz modelliert, um abwechslungsreiche Strukturen und wechselfeuchte Auenbereiche zu schaffen. Insgesamt fallen durch die Sekundärauenherstellung und Gewässeraufweitungen rund 36.000 Kubikmeter Bodenmaterial an. Das sei ein wichtiger Faktor zum Hochwasserschutz, denn bei hohem Wasserstand habe die Lippe künftig die Chance, sich gefahrlos in die neuen Überflutungsbereiche auszubreiten.

„Das mag alles nach viel Aufwand klingen”, stellte Bodo Klimpel als Ratsvorsitzender des Lippeverbandes fest, aber man dürfe nicht außer Acht lassen, „dass wir mit solchen Maßnahmen menschliche Eingriffe in die Natur und industrielle Belastungen rückgängig machen.“ Außerdem stehe noch ein langer Weg an, bis die Gewässer in dem guten Zustand seien, den die Europäische Union (EU) über die Wasserrahmenrichtlinie für alle Mitgliedstaaten fordere.

Als erster stellvertretender Landrat des Kreises Wesel verwies Günter Helbig auf die enge Begleitung der Planungen durch den Kreis Wesel als Genehmigungsbehörde. Die Arbeiten sollen planmäßig im kommenden Monat beginnen und etwa acht Monate in Anspruch nehmen. Sodass mit der Fertigstellung der Arbeiten im Frühjahr 2022 gerechnet werden kann. Projektleiter am Mühlenbach ist der Diplom-Ingenieur Wolf Debus. Bodo Klimpel, der dem Lippeverband eine hervorragende Öffentlichkeitsarbeit bescheinigte, lud die Bevölkerung gerne zu gelegentlichen Besichtigungen der Baustelle ein.

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