Hamminkeln Verliert die junge Stadt Lust auf Zukunft?

Hamminkeln · Große Sorge im Rathaus: Ländlicher Raum droht durch Landesplanung ins Abseits zu geraten. Rat diskutiert heute.

 Im Rathaus wehrt man sich gegen die Zuschreibung durch die Landesregierung, als ländliche Kommune künftig nur noch biologisch korrekte Energie und den Rohstoff fürs Bauen in den Metropolen liefern zu dürfen.

Im Rathaus wehrt man sich gegen die Zuschreibung durch die Landesregierung, als ländliche Kommune künftig nur noch biologisch korrekte Energie und den Rohstoff fürs Bauen in den Metropolen liefern zu dürfen.

Foto: Jürgen Bosmann

LEP — Diese drei Buchstaben sorgen in diesen Tagen im Rathaus für ein gehöriges Maß an Aufregung. Der Grund ist für Laien kaum greifbar. Denn die Materie ist ziemlich abstrakt. Doch die Experten fürchten, dass die konkrete Ausgestaltung erhebliche, ausgesprochen negative Auswirkungen für ländliche Kommunen wie Hamminkeln haben wird. Deshalb wollen sich die Verantwortlichen im Rathaus nicht mit dem inzwischen vorliegenden Entwurf des Landesentwicklungsplans — für dies Wortungetüm steht das Kürzel LEP — klaglos abfinden. Heute diskutieren zunächst der Planungsausschuss (15 Uhr) und dann der Rat (17 Uhr) das Papier. Am Ende soll die offizielle Stellungnahme der Stadt verabschiedet werden. Der Vorbehalte sind erheblich.

Bürgermeister Holger Schlierf erkennt die Absicht der Landesregierung, dem ländlichen Raum nur noch "dienende Funktion" für die Ballungsräume zuzuschreiben und somit den kleinen Landkommunen "die Lust auf Zukunft" zu nehmen. CDU-Parteichef Norbert Neß malt das wenig freundliche Bild von der "Museumslandschaft", zu der die Landesplaner den ländlichen Raum degradieren wollen — als ökologisch wertvoller Energielieferant mit Windrädern und Biogasanlagen, als Rohstoffkammer mit Kiesseen und Tongruben sowie als Naherholungsrefugium für die Metropolen.

Es stehe nicht weniger als "unsere kommunale Selbstverwaltung zur Disposition", so Thomas Dreier, Vorstand Technik im Rathaus. Eins der höchsten Rechtsgüter der Kommunalpolitik überhaupt.

Die wolle man mit aller Macht verteidigen und sehe sich im Konzert mit ähnlich strukturierten Kommunen im Land unter Federführung des Städte - und Gemeindebundes gewappnet.

Dreier bezeichnete es als "Strickfehler", dass die Landesplanung, die die Ziele für die Entwicklung Nordrhein-Westfalens für die kommenden 15 Jahre festschreibe, bereits Bezug nimmt auf den Regionalplan, der derzeit ebenfalls in Arbeit ist und für Hamminkeln bezeichnenderweise vom Regionalverband Ruhrgebiet aufgestellt wird. Der wiederum ist Leitlinie für die detaillierte Ausgestaltung in den örtlichen Flächennutzungs- und Bebauungsplänen. "Unsere Sorge ist, dass wir dabei zum Zonenrandrandgebiet degradiert werden", formulierte der Chef-Techniker bewusst pointiert.

Das Kernproblem: Unter der Prämisse des flächensparenden Bauens — grundsätzlich ein lobenswertes Ziel — könnte Hamminkeln künftig jeglicher Entwicklungsmöglichkeiten beraubt werden. Sowohl für die Ausweisung neuer Gewerbeflächen wie auch neuer Wohnbaugebiete könnte es am Ende zu von oben verordnetem Stillstand kommen, weil Entwicklung nur noch für die Metropolen vorgesehen ist.

Dreier äußerte die große Sorge, dass die Landesplanung auf rein rechnerischer Basis einer Stadt wie Hamminkeln einen Bedarf an Entwicklung zuschreibt, "der mit den Realitäten nicht übereinstimmt". Es sei beispielsweise nun mal nicht zielführend, alle ausgewiesenen Gewerbeflächen zu addieren und in der Bilanz mit dem rechnerischen Bedarf abzugleichen.

"Das sagt doch nichts über die Verfügbarkeit der Flächen aus", so Dreier. "Viele Betriebe halten Flächen für mögliche Erweiterungen vor, so dass sie de facto dem Markt entzogen sind."

Auf dieser Grundlage sei die Wirtschaftsförderung im Rathaus ihrer Möglichkeiten amputiert, auf einen konkreten Bedarf eines ansiedlungswilligen Betriebes zu reagieren, so der Chefplaner vor Ort. Das tangiere nicht nur die Planungskompetenz im Haus, "weil wir keinen Flächenvorrat mehr betreiben können, der uns Flexibilität verschafft". Das stelle auch langfristig die ökonomische Basis der städtischen Finanzen infrage, weil der Wirtschaft vor Ort praktisch Stillstand verordnet werde.

(RP)
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