Wesel Testament 29 Jahre nach Tod der Mutter erhalten

Wesel · Ein Brief des Nachlassgerichtes Braunschweig sorgt bei Leser Wolfgang Bosse für Aufregung. Er bittet die RP um Hilfe. Die kommt bei ihrer Recherche einem ungewöhnlichen Verwaltungsfehler auf die Spur.

 Wolfgang Bosse hat jetzt erst das Testament seiner vor 29 Jahren verstorbenen Mutter erhalten - eine bürokratische Posse.

Wolfgang Bosse hat jetzt erst das Testament seiner vor 29 Jahren verstorbenen Mutter erhalten - eine bürokratische Posse.

Foto: ekkehart malz

Ein Schreiben des Nachlassgerichtes Braunschweig hat jetzt bei RP-Leser Wolfgang Bosse (72) für ungläubiges Staunen gesorgt. Einem freundlichen, wenn auch für den Laien völlig unverständlichen Anschreiben beigefügt ist eine beglaubigte Kopie des 1974 (!) von seinen Eltern verfassten Testamentes.

Um Bosses Verwunderung verstehen zu können, muss man wissen, dass seine Mutter Emmi Bosse (Jahrgang 1910) bereits im Sommer 1985 verstorben ist — sieben Jahre nach ihrem Mann. Sprich: Erst 29 Jahre nach ihrem Tod hält der Sohn erstmals ihren notariell beglaubigten letzten Willen in Händen. "Ich verstehe das alles nicht. Was soll das alles?", sagt der pensionierte Technische Zeichner aus dem Schillviertel und bittet die RP um Hilfe.

Die macht sich schlau beim Nachlassgericht in Braunschweig. Rechtspfleger Lothar Bromberger ist der ungewöhnliche Fall mit der Geschäftsnummer 31 IV 224/74 ("Protokoll über die Eröffnung der Verfügung wegen der Emmi Bosse geb. Ding") bekannt. Und er kann durchaus das ungläubige Erstaunen von Wolfgang Bosse nachvollziehen. "Wir können einfach nicht bei jeder Sache, die nicht so eindeutig ist, lange schriftliche Erklärungen abgeben", bittet der Rechtspfleger um Verständnis. Im Fall Bosse sei etwas passiert, "was so zum Glück ganz selten passiert." Und dann beginnt er einen kleinen Exkurs in die Welt des Erbschaftsrechts.

Bislang, so erklärt Lothar Bromberger, sei es so gewesen, "dass, wenn jemand sein Testament beim Nachlassgericht hinterlassen hat, das Standesamt des Geburtsortes darüber informiert wurde. Der Kreis schließt sich, wenn das Geburtsorts-Standesamt vom Tode des Testierenden erfährt. Dann nämlich erhält das Nachlassgericht eine Sterbefallanzeige vom Standesamt, so dass in diesem Augenblick das Testament eröffnet werden kann". Warum, wieso und weswegen das Nachlassgericht Braunschweig 1985 vom Standesamt Braunschweig keine Nachricht über das Ableben von Emmi Bosse erhalten hat, ist für Lothar Bromberger unbegreiflich. "Aber es ist nun mal so."

Der administrative Fehler wurde erst im Herbst 2013 entdeckt, weil das Nachlassgericht die Verpflichtung hat, nach 30 Jahren alle hinterlegten Testamente zu prüfen. "Unsere Geschäftsstelle hat am 4. November schriftlich Kontakt mit der Stadt Wesel aufgenommen und dabei vom Tode Emmi Bosses erfahren. Nachdem die von uns angeforderte Sterbeurkunde eingegangen war, konnten wir am 28. November das bei uns hinterlegte Testament veröffentlichen." Getreu seinem gesetzlichen Auftrag hatte das Nachlassgericht Kontakt mit dem im Testament erwähnten Wolfgang Bosse aufgenommen und ihm die beglaubigte Abschrift des Testamentes zugeschickt. "Herrn Bosses Anschrift in Wesel, das habe ich im Internet recherchiert, hatte sich seit 1974 nicht verändert. Wir haben ihn nun schriftlich gebeten, uns die Adressen seiner im Testament erwähnten drei Geschwister mitzuteilen", sagt Bromberger.

Er ist überzeugt, dass es ähnliche Pannen künftig so nicht mehr geben wird. Denn seit vor genau zwei Jahren das Zentrale Testamentsregister in Berlin seine Arbeit aufgenommen hat, "sind die Standesämter raus aus dem Geschäft", sagt Lothar Bromberger.

(RP)
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